Indy2Go
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Betreff: Re: Die letzte Serie
Class - Staffel 1, Folge 1 & 2 - For Tonight We Might Die / The Coach with the Dragon Tattoo
Über die Notwendigkeit dieses "Doctor Who"-Spin-offs scheideten sich zunächst die Geister. Und das nicht ganz zu Unrecht: Wieso produziert die BBC eine Young-Adult-Serie mit ganz und gar neuen Figuren und keinerlei Bezug zum aktuellen Thema der Hauptserie, während eben diese für ein Jahr weichen muss? Der Verdacht, dass damit nur eine Lücke geschlossen werden sollte, lag nahe. So bittet "Doctor Who"-Showrunner Steven Moffat schon lange nach einer Auszeit, da er eben nicht nur Hauptverantwortlicher für die wichtigste Sci-Fi-Serie der BBC ist, sondern zusammen mit seinem Freund mit Mark Gatiss auch noch "Sherlock", das zweite Flaggschiff des Senders, schreiben und produzieren muss. Und mit dieser Serie sind die beiden ohnehin schon aus dem zwei-Jahres-Rhythmus.
Glücklicherweise aber machen zumindest die ersten beiden Folgen des Ablegers den Eindruck, dass er sehr viel mehr ist, als nur eine Cashcow, die vom Namen des Mutter-Formats profitieren will und Fans von eben diesem während der einjährigen Pause ruhigstellen soll. "Class" scheint das zu werden, was "Torchwood" sein wollte und nur mit der dritten Staffel tatsächlich war: Eine Serie, die sich Themen zuwendet, die in der Familienserie "Doctor Who" nicht behandelt werden können. Dementsprechend braucht die Serie auch vor offenen Darstellungen von Brutalitäten nicht halt machen, was Leider auch die Möglichkeit eröffnet, dass Gewalt nur gezeigt wird, weil die Macher sie zeigen dürfen.
Die größte Frage, die sich mir im Vorfeld aufdrängte, lautet jedoch wie folgt: Wieso muss nun ausgerechnet die Coal Hill School Hauptschauplatz der Serie und damit Veranstaltungsort für Alien-Invasionen und Co sein? Die Schule ist ein schon fast legendärer Ort innerhalb des "Doctor Who"-Universums. Schon in der ersten Folge sah man, wie des Doktors Enkeltochter Susan sie besuchte - und seine ersten Companions, Ian und Barbara, unterrichteten dort. Seit dem 2013er Jubiläums-Special spielt die Schule auch in der neuen Serie eine größerere Rolle, denn auch die Begleiterin des elften und zwölften Doktors durfte dort unterrichten. Und für eine Folge der achten Staffel war der Doktor selbst dort als Hausmeister beschäftigt. Aber ist es nicht umso unwahrscheinlicher, dass sich gerade dort alles abspielt? Nein, Serienschöpfer Patrick Ness hat sich dafür tatsächliche eine plausible und überraschend naheliegende Erklärung ausgedacht: (Spoiler!) Es war ganz einfach der Doktor, der die Gefahr - mehr oder minder unbeabsichtigt - dort hingelockt hat. Er rettete zwei Außerirdische, die er als Schüler und als Lehrerin in seiner geliebten Coal Hill School, die sich wie ein roter Faden durch sein Leben zieht, unterbrachte. Kein Wunder also, dass die Feinde der beiden ausgerechnet dort klingeln.
Wie so ziemlich jede Young-Adult-Serie (oder- Film) hat auch "Class" das Problem, dass die Darsteller sehr viel älter aussehen, als es die Figuren sind, die sie spielen. Ihre Darbietungen sind aber trotzdem ordentlich, insbesondere Fady Elsayed überrascht mit einigen großartig gespielten Szenen. Die Charakter-Entwürfe klingen zunächst recht oberflächlich und stereotyp, so haben wir ein Sport-Ass, ein Nerd-Mädchen, einen Schwulen, das süße Mädchen, mit dem niemand etwas zu tun haben will und noch die taffe Frauenfigur, in diesem Fall die (Alien-) Lehrerin. Doch ergeben die Figuren allesamt Sinn und haben vernünftige, wenn auch teils wenig einfallsreiche Hintergrundgeschichten. Ich favorisiere momentan ja die von Katherine Kelly dargestellte Miss Quill. Eine sehr cool geschriebene, zynische Frau, die in ihre Rolle als Lehrerin gezwungen wurde. Sophie Hopkins als April ist aber auch süß. 
Statt eine große Handlung zu erzählen, was sich in diesem Fall wirklich angeboten hätte, macht "Class" es genau wie das Mutter-Format: Am Anfang der Staffel wird eine Story Arc vorgestellt, der nach einigen Monster-of-the-Week-Folgen mit dem großen Staffelfinale aufgelöst wird. Wenn der Story Arc denn gut ist, was etwa bei der letzten "Doctor Who"-Staffel leider nicht der Fall war, stellt das kein Problem dar, doch schreit die Prämisse von "Class" quasi nach einer großen Handlung. Wurde die Schule als Handlungsort doch so sinnvoll eingeführt, laufen von der Staffel-Handlung losgelöste Monster-Besuche nun doch wieder auf bequeme Zufälle hinaus. Nun ja.
Als Regisseur durfte Ed Bazalgette ran, der auch schon zwei "Doctor Who"-Folgen inszenieren durfte. Die Regie ist recht dynamisch, teils überraschend experimentell aber insgesamt nicht mehr als ordentlich. Trotz sehr "hübscher", verdächtig an den Destroyer aus "Thor" und die White Walkers aus "Game of Thrones" erinnernden, Monster in der ersten Episode, merkt man dem Ganzen schon ein wenig an, dass nicht ganz so viel Geld zur Verfügung steht, wie bei der Mutter-Serie. Ich denke das vollständig computergenerierte Monster in der zweiten Folge hätte in "Doctor Who" etwas besser ausgesehen. Trotzdem gibt's hier kaum Grund zu meckern. Die Serie bekam auch ein nettes und zeitgemäßes Intro.
Das Highlight war... (an dieser Stelle verwende ich, sofern sich tatsächlich jemand diesen Beitrag durchliest, mal sicherheitshalber Spoiler-Tags)
Spoiler:
...ganz klar der Gastauftritt von Peter Capaldi als der Doktor. Nicht nur dass eine überraschend coole E-Gitarren-Version seines an sich eigentlich schwachen Action-Themas zu hören war, er bekam auch ein paar sehr geile Zeilen Text. Und das Timing war gut, wobei man mit seinem Kommen rechnen konnte. Für mich steht schon jetzt fest: Der Doctor wird für's Finale zurückkehren und bei der Bekämpfung des großen Feindes helfen.
Doch, ich bin durchaus positiv überrascht und gespannt auf die weiteren Folgen.
Marc S.
Bismarck biss Marc, bis Marc Bismarck biss.
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