| Ah, Rats!!   Mitglied
 
 
		Beiträge: 207Dabei seit: 24.08.2009
 Wohnort: Berlin
 | Betreff: Re: Über drei Jahre Wartezeit Es wird bei sowas immer gleich die Vertrauenswürdigkeit hinterfragt - sicher auch nicht ohne Grund, wenn man bedenkt, wie viele Abzocker es da draußen gibt, die das schnelle Geld machen wollen. Aber ich denke, es steht außer Frage, dass Steven und Marc wirklich was anzubieten haben, und nicht in erster Linie etwas verkaufen wollen (sprich: Ramsch). Jemanden 3 Jahre warten zu lassen, und sich dann auf Zuruf nicht mal zu melden, ist nicht in Ordnung - keine Frage. ABER ich gebe zu bedenken, dass es nicht zwangsläufig auf mangelnde Vertrauenswürdigkeit, schlechte Geschäftsgebaren oder gleich offene Niedertracht hin deuten muss. Oftmals sind solche Leute auch einfach überfordert. Es sind Menschen, einzelne Leute, die etwas herstellen, für das es ein wenig Engagement, Hingabe und Liebe zum Produkt braucht. Ich weiß es von Marc, und ich bin sicher Steve tickt da nicht anders: Beide sind Perfektionisten, die ein Produkt erst dann rausgeben, wenn sie selbst damit zufrieden sind. Das ist für den Kunden am Ende ein Segen, wenn die zeitliche Hürde mal genommen ist, kommt aber mit einem dicken Nachteil. Anders als ein Fabrikarbeiter fällt es solchen Leuten schwer, sich an das Werk zu setzen, wenn sie z.B. nicht gut drauf sind, den Kopf voll haben. Ich als Zeichner kenne das aus eigener Erfahrung: Gerade bei Privataufträgen, vor allem für Leute die einem was bedeuten (und das tun Indy-Fans den Beiden sicherlich) will man es besonders gut machen, und dann kommt es vor dass man es gerade dadurch leider extra lang vor sich her schiebt.
 Und es ist nicht so, dass man sowas dann irgendwann vergisst - nein, das nagt! Jeden Tag! Und je mehr das nagt, desto mehr schiebt man es womöglich vor sich her (sowas sind mitunter schon erste Anzeichen eines Burn-Out-Syndroms, wenn es die Folge von dauernder Überlastung ist).
 Kommen dann noch Beschwerden, wenn man sich selbst schon schlecht fühlt weil es länger dauert als man je wollte, reagieren viele solcher Leute unterschiedlich: Die einen haben ein tolles Kommunikationsverhalten, trösten über die Wartezeit hinweg, beantworten sofort überschwenglich jede Mail. Andere rudern wild mit den Armen durch die Luft, stecken sich dann die Zeigefinger in die Ohren und fangen laut an zu singen, und schieben das Problem, direkt mit dem ungehaltenen Kunden konfrontiert zu werden, genau so vor sich her wie das Projekt selbst. Das ist schlimm, aber eine typisch menschliche Reaktion, und in keiner Weise böse gemeint. Manche Menschen schieben da wirklich große Panik, und kriegen keine Antwort raus. Es ist ihnen vielleicht sogar peinlich, und sie schaffen es dann, sich so lange von irgendwas ablenken zu lassen, bis der Tag halb rum ist, und dann  schreibt man die Antwort eben morgen. Oder übermorgen. Oder nächste Woche. Sowas kann zu einem Teufelskreis werden, der einen einzelnen Menschen regelrecht fertig machen kann.
 
 Wir wissen alle nicht, was bei Steve die letzten Jahre so abging. Meine Vermutung ist, dass er sich einfach übernommen hat. Kommen private Probleme (Job, anderer Stress) dazu, und wir hatten ja bis hin zur Wirtschaftskrise alle möglichen Faktoren in den letzten Jahren dabei, kann ich mir an drei Fingern abzählen, was passiert sein kann.
 Natürlich ist es ein Dilemma, weil man als Kunde ja auch Wünsche und Erwartungen hat, aber es wäre wirklich gut, wenn man so Leute wie Steve nicht wie das Kaufhaus gegenüber, oder Amazon betrachtet. Kommt da was nicht rechtzeitig, und antworten die nicht, ist das ein Fall für den Verbraucherschutz. Aber passiert das bei Einzelpersonen, die sich vielleicht einfach zu viel zugemutet haben, und denen das jetzt etwas entgleitet, ist das etwas Anderes. Gleiches gilt übrigens auch für so kleine Klitschen wie Wested.
 
 So schlimm wie es ist, wir können es nicht ändern, dass es so ist. Entweder man schraubt den Druck auf die Leute hoch, um sie zu bewegen, "besser zu spuren" (ganz egal, ob man mit dem Anwalt droht, wütende Emails schreibt oder aber auch im Forum die Leute hochpusht), aber das sorgt gerade bei Einzelpersonen mit künstlerischer Arbeit (und letztenendes geht es ja bei den Beiden in die Richtung), dass sie die Sache ganz hinwerfen, eine Blockade haben, vielleicht ausbrennen, und sich schlimmstenfall den Strick nehmen. Da macht keine Firma pleite, und die Arbeiter gehen woanders hin. Da geht es um die Tätigkeit Einzelner, die denen richtig viel bedeutet.
 Oder aber man begegnet dem mit mehr Verständnis als eigentlich in der normalen Käufer-Verkäufer-Welt angebracht wäre, und hofft darauf, dass die Leute mit der Zeit wieder in die Spur kommen. Denn auch wenn es länger dauert, es wird nie passieren, dass so Leute einen dann "abfertigen", und einem einen weniger aufwändig hergestellten Hut evtl. mit Fehlern schicken, und alles hopplahopp abarbeiten, wenn sie wieder in den Tritt kommen - das ist die positive Seite an dem Problem.
 
 Ich hoffe, dass Steve Deinen Hut bald fertig bekommt, und sich die Sache für Dich positiv löst.
 
 Chris H. |