Indy2Go
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Betreff: Re: Der letzte Film
Snowden
Eigentlich ist die Geschichte des Whistleblowers Edward Snowden eine, die Regisseur Oliver Stone direkt in die Karten spielt. Die Protagonisten seiner Filme sind so oft Nationalisten, die sich mit ansteigendem Wissen immer weiter zu Rebellen entwickeln, damit aber letzten Endes urpatriotische Ziele verfolgen. Stone macht stellt auch stets klar, auf wessen Seite er und seine Filme stehen. Bürger sollten eben keine Angst vor deren Regierungen haben müssen, sondern Regierungen vor deren Bürgern; um es mit Alan Moore zu sagen. Dass der Stoff keine amerikanischen, sondern europäische, sogar vorwiegend deutsche Geldgeber fand, stellt natürlich keine große Überraschung dar, sehr wohl aber zeigt es, wie viel Einfluss die Politik noch immer auf Kunst zu nehmen scheint. Ich jedenfalls finde es gut und wichtig, dass der Stoff mehr oder weniger wahrheitsgetreu und auch nicht zuletzt unterhaltsam auf die Leinwand gebracht wurde, so bekommt man wenigstens ein Gesamtbild der Geschichte und nicht nur Fragment für Fragment in den Nachrichten.
Filmisch überrascht "Snowden" mit einer interessanten aber nicht ungewöhnlichen Erzählstruktur, mit der er sich immerhin von typisch Oscar-hungrigen Doku-Dramas à la "The Imitation Game" oder "The Theory of Everything", die sie sich doch im Grunde allesamt auf die selbe Rezeptur verlassen, abhebt. Zentraler Ort ist stets das aus Laura Poitras Dokumentarfilm "Citizenfour" bekannte Hotelzimmer. In dieser Räumlichkeit wird auch die Entstehungsgeschichte jenes Filmes erzählt. Stone zeigt Poitras als äußerst professionelle und nicht aus der Ruhe zu bringende Frau und verschafft ihr damit eine besondere Würdigung. Wie so viele Doku-Dramas erlaubt sich auch "Snowden" den tatsächlichen Handlungsträger kurz vor Schluss zu zeigen, mit einer, wie ich hervorheben möchte, sehr cleveren Überblendung.
Ed Snowdens Freundin, Lindsay Mills, wurde von Stone leider zu einer seiner typischen Frauenfiguren gemacht. Zunächst dient sie als Werkzeug, um das klischeehaft geschriebene Leben Snowdens vor seiner CIA-Laufbahn zu zeigen, während eben dieser wird sie unerträglich oft in und aus seinem Leben geschrieben, bis sie dann die besorgte Lebensgefährtin heraushängen lassen darf. Wie bereits angedeutet ist mir auch die Darstellung Snowdens prä-Geheimdienst-Lebens zu stereotyp. Vielleicht war Snowden in der Army ein Taugenichts und ja, er brach sich auch seine Beine - doch wieso muss derartiges immer gleich "Captain America"-überspitzt dargestellt werden? In diesem Falle wäre mir eine sachliche Schilderung deutlich lieber gewesen.
Marc S.
Bismarck biss Marc, bis Marc Bismarck biss.
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