Aldridge
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Betreff: Re: ein zweiter blick auf indy 4
Mal als Kontrast: So hatte Hellmuth Karasek den Film Raiders im Jahre 1981 im Spiegel wahrgenommen. Hochunterhaltsam. 
Zitat:Gott aus der Kiste
"Jäger des verlorenen Schatzes". Spielfilm von Steven Spielberg. USA 1981; 118 Minuten; Farbe.
Die Schröpfung der Erde: Von allen Mythenplünderungen und Geheimnisfleddereien ist dies die erfolgreichste aller Zeiten. "Jäger des verlorenen Schatzes" hat sich als Hollywoods größter finanzieller Fischzug erwiesen, der sich sogar neben der Anzapfung der Deutschen Bundesbank durch den Kanzler sehen lassen kann.
Nachdem der Ozean ausgeschöpft ist ("Der weiße Hai") und das Weltall abgegrast ("Der Krieg der Sterne"), haben sich George Lucas als Produzent und Steven Spielberg als Regisseur der Vergangenheit und Gott zugewandt. Die Nazis und ein edler amerikanischer Professor kämpfen einen archäologischen Krieg um die in Ägypten verscharrte biblische Bundeslade, in der die Originalmanuskripte der Zehn Gebote, die Gesetzestafeln Gottes, aufbewahrt waren.
Der Film weiß schon, was er tut: Alles, was als Geheimnis gut und teuer ist, in Kinderphantasien von Grimm über Karl May, Jules Verne oder Schliemann bis Däniken nachwirkt, wird in dieser filmischen Schnitzeljagd nach dem heiligsten Schrein verwurstet.
Doch merkwürdig, je mehr man bemerkt, wie sich das Hollywooder Erfolgsduo abgebrüht Gralssehnsucht und Neugier nach Inka- und Pharaonen-Schätzen krallt, wie es hier die Angst vor Spinnen und Klapperschlangen bemüht und da die Lust an Autoverfolgungsjagden, um so deutlicher wird, daß der Film den Mythen allen Zauber und alle Geheimnisse ausgetrieben hat.
War im "Weißen Hai" noch etwas von der "Moby-Dick"-Archaik spürbar, vom elementaren Abenteuer auf dem Meer, lebte im "Krieg der Sterne" noch eine gewisse Comic-Lust an phantastischem Getier, ja zitterte in der "Unheimlichen Begegnung" noch etwas von der Bhagwan-Sehnsucht nach einem weniger banalen Leben nach - in den "Jägern" ist von solchen unterschwelligen Antriebselementen nichts mehr zu spüren.
Aber auch von der snobistischen Ironie, mit der beispielsweise ein James Bond den Kinderladen unserer Träume zu filmischen Allmachtsträumen erweitert, ist hier nichts zu spüren.
Mit dem Hauruck-Charme von Bud Spencer prügelt sich der Archäologe Indy (Harrison Ford) mit seiner Nilpferdpeitsche durch die Wüste, und die ihm mit Verbissenheit hinterherlaufende Marion (Karen Allen) hat den Charme eines widerspenstigen Käthchens in einer deutschen Provinzaufführung.
Die Nazis sind doof und zahlreich, die weiß gewandeten Muselmanen stellen die Gemüse- und Obstkarren, durch die man bei der öden Verfolgungsbalgerei immer wieder preschen kann. Hollywoods Erfolgskino - das ist eine Destruktionsorgie, die wie ein Wirbelsturm durch Ägypten zieht und alles kurz und klein holzt. Ein geistloser Kolonialismus, der die Orientalen zu "Hurrah" schreienden Spalierstehern degradiert.
Man weiß schon, wie derartiges zustande kommt. Hollywood, das ist ein technisch sehr teures Spielzeug geworden. Und wer dieses Superding bedienen will, der darf sich keine Sperenzchen mehr leisten. Der muß dafür sorgen, daß man mit der gleichen Unbedenklichkeit Kindergärten wie Altersheime ins Kino locken kann, daß dort in jeder Sekunde garantiert mehr passiert als im Fernsehen und daß sich keiner auf den Schlips getreten fühlt außer den alten Nazis, die tot sind, und den alten Moslems, die keinen Schlips tragen.
Daß der Film dabei auf eine viel schlimmere Weise verletzend und zynisch ist, mag einem bei den dauernden Faustkämpfen und Materialschlachten gar nicht aufgehen. Der supranaturale Gott, der sich in der Bundeslade manifestiert, kann zwar Wunder vollbringen, wie es ihm gefällt, sonst jedoch will er nichts gegen die Nazis tun. Seine Allmacht sitzt in der Kiste wie der Geist in der Flasche.
Wenn Spielberg den Glauben, der Berge versetzen kann, auf derart infantile Gottesvorstellungen reduziert, dann möchte man sich doch lieber auf den Kernsatz des Atheismus zurückziehen: Die einzige Entschuldigung für Gott ist die, daß es ihn nicht gibt.
Bei Spielberg jedoch strahlt er aus einer Kiste, so als habe der General oder sein Kollege, der Meister Proper, gerade eine Küche blitzblank gesäubert. Dann zischt das Numinose wie ein weißer Wirbelwind durch den Raum und fährt gen Himmel, wo die Wolke aufreißt: Ähnliche Wetterwirkungen hat nur der Samtbariton von Elmar Gunsch.
Und doch ist das Wunder, das sich in den "Jägern des verlorenen Schatzes" gegen Ende ereignet, nicht nur des Glaubens liebstes Kind, sondern auch eine Art zynischer Zeitbezug, die neueste Stimmung im Westen.
Die Nazis haben die Lade in einen unterirdischen U-Boot-Hafen auf einer Mittelmeerinsel gebracht, Lothar Buchheim hat noch nicht protestiert, der wackere Amerikaner und seine Freundin sind gefangen. Sie könnten sich retten, indem sie die Lade mit einer Panzerfaust zerstören. Das aber wäre Gewalt gegen Dinge, vor der man, im Unterschied zur Gewalt gegen Menschen, human zurückschreckt.
Da aber fährt Gott aus der Kiste und beseitigt als eine Art Vorläufer der Neutronenbombe alle Nazis. Die beiden Amerikaner werden gerettet, indem sie einfach die Augen zumachen.
Die Versuppung und Versaftung der störenden Erdbevölkerung unter Schonung archäologischer wertvoller Truhen hat im Kino begonnen. Zum Schutz vor dem Strahlentod braucht man nicht einmal mehr eine Aktentasche oder Alu-Folie, wie es uns Regierungsbroschüren von einst und jetzt empfehlen. Augenschließen genügt. "Augen zu und durch" - wer diesen Rat im Kino befolgt, versäumt nicht einmal viel.
Hellmuth Karasek
Quelle: http://www.spiegel.de/...43863.html
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