Fabilousfab
Moderator
Beiträge: 3.203
Dabei seit: 11.01.2020
Wohnort: Merching
|
Betreff: Re: Artefakte und ihre realen Hintergründe
Im Film
| | Screenshot | Screenused Prop |
Im Film zeigt Dr. Jones Mutt zwei Buchseiten mit Schriftzeichen und Bildern, um einen Brief von Ox zu dechiffrieren und damit das Grab Orelanas zu finden.
Realität
Präkolumbianische Codes und Schriftzeichen
Die präkolumbische Zeit, die weit vor die Ankunft des Kolumbus und der europäischen Entdeckungsfahrer in 1492 bis in die graue Vorzeit Amerikas zurückreicht, ist eine der bedeutendsten, faszinierendsten und auch geheimnisvollsten Ären der Weltgeschichte.
Die einheimischen Hochkulturen des heutigen Zentral-und Südamerikas, insbesondere die Mayas, hatten eine eigene Schriftkultur entwickelt, die sich von der europäischen ihrer Eroberer stark unterschied: Ihre Handschriften waren oft viele Meter lang, nach dem Leporelloprinzip gefaltet und mit rätselhaften Schriftzeichen versehen. Jedoch wurde der Großteil der Schriftzeugnisse der Azteken, Mayas, Inkas und anderer Völker von allzu beflissenen Geistlichen, die eine völlige Ausrottung des einheimischen Heidentums verfolgten, in die Flammen der Spanischen Inquisition geworfen.
Die wenigen erhaltenen Exemplare dieser wertvollen Bilderhandschriften zählen heute zu den seltensten und begehrtesten historischen Kunstobjekten der Welt. Sie bewahren auf einmalige Weise das Wissen um die Geschichte, Religion, Kultur und das Brauchtum der präkolumbischen Hochkulturen Amerikas.
Beinahe Vernichtung
Der 12. Juli des Jahres 1561 war der Tag, an dem das kulturelle Gedächtnis eines Volkes verglühen sollte. Diego de Landa, der von den spanischen Eroberern eingesetzte Bischof und Inquisitor der Halbinsel Yukatan die heute zu Mexiko, Guatemala und Belize gehört), ließ auf dem Platz vor dem Konvent des Franziskaner-Mönchsordens in dem Dorf Maní einen riesigen Scheiterhaufen aufschichten, der von Kreuzen eingerahmt wurde. Dort wurden keine Menschen verbrannt – darauf war die Inquisition nicht annähernd so erpicht wie ihre schwarze Legende behauptet. Aber alle Götterbilder der Maya-Religion und sonstige religiöse Objekte wurden den Flammen übergeben. Zu den Zuschauern gehörten auch Maya-Adelige. Die die dem alten Glauben nicht abschwören wollten, bekamen als Strafe 200 Peitschenhiebe.
Unter den von Landa verbrannten Kultgegenständen waren auch Bücher, denn die Maya hatten als einziges Volk des präkolumbischen Amerikas eine hoch entwickelte Schriftkultur. Ihre Manuskripte schrieben sie auf Papier, das aus den Rindenfasern des Feigenbaums Ficus cotinifolia gewonnen und mit einer feinen Kalkschicht geweißt wurde. Die viele Meter langen Handschriften wurden nach dem Ziehharmonikaprinzip gefaltet und hatten Einbände aus Holz oder Jaguarfell.
Bedeutung geriet in Vergessenheit
Der Plan des Inquisitors Landa ging auf. Durch die Bücherverbrennung und die anderen Zwangsmaßnahmen wurde die Kenntnis der Maya-Schrift weitgehend ausgelöscht. Zwar wurden Hieroglyphen noch vereinzelt in von Maya angefertigten Texten der spanischen Kolonialzeit gebraucht, etwa in den sogenannten „Büchern des Jaguarpriesters“, einer Sammlung handschriftlicher Untergrundliteratur in meist lateinischer Schrift und auf europäischem Papier. Doch dann geriet die Bedeutung der über 1000 Jahre lang gut dokumentierten Schriftzeichen komplett in Vergessenheit.
Wiederentdeckung und Aufarbeitung
Wenn die Maya heute wissen wollen, wie ihre Vorfahren einmal geschrieben und gesprochen haben, dann fragen sie in Bonn. Ausgerechnet die Universitätsstadt am Rhein, weit entfernt von den Yukatans, ist ein Zentrum der Altamerikanistik und speziell der Maya-Forschung.
Bis Ende des 20. Jahrhunderts dachte man, dass die Maya-Schrift von den Olmeken oder von der Isthmus-Schrift abstamme, jedoch haben kürzliche Entdeckungen das Datum der Maya-Schrift um mehrere Jahrhunderte vordatiert. Seit spätestens 2006 ist es archäologisch wahrscheinlich, dass die Maya die Erfinder der Schrift in Mesoamerika waren.
Die frühesten senkrecht angeordneten Schriftglyphen, die noch der präklassischen Periode der Maya zugeordnet werden, stammen aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. von der archäologischen Maya-Stätte San Bartolo in Guatemala.
Wenn von Maya-Sprache die Rede ist, ist meist Ch’ol gemeint. Ch’ol sprachen die Menschen, die die Hieroglyphenschrift spätestens 300 v. Chr. nach olmekischem Vorbild entwickelten – die Olmeken waren die Mutterkultur der Maya, ein bisschen so wie die Etrusker für die Römer. Obwohl die Schrift auch von Sprechern anderer Maya-Idiome übernommen wurde, blieb Ch’ol doch die vorherrschende Sprache der Inschriften, denn es war die Lingua Franca, die Verkehrssprache des Maya-Adels der klassischen Zeit. Das Verhältnis der heutigen 26 Maya-Sprachen zur Klassik entspricht ungefähr dem des Italienischen zum Latein. Lebende Sprecher verfügen im Grunde über den Wortschatz, um die Inschriften zu verstehen. Ihnen fehlt die Kenntnis der Grammatik und der Hieroglyphen.
Die Maya-Schrift ist eine sogenannte logosyllabische Schrift, was bedeutet, dass sich die Schriftzeichen aus Logogrammen und Silbenzeichen zusammensetzen können. Die Zeichen können allerdings auch getrennt voneinander stehen. Insgesamt sind die Hälfte der etwa 700 Schriftzeichen Logogramme bzw. Silbenzeichen. Meistens entsprechen die Logogramme tatsächlich existierenden Gegenständen oder Lebewesen. Bei einigen ist jedoch kein Erkennen des eigentlichen Sinnes mehr möglich. Dagegen haben die Syllabogramme eine andere Bedeutung, und zwar die der Silbendarstellung. Die meisten Syllabogramme sind im Muster Konsonant-Vokal vorhanden (zum Beispiel „BA“). Wenige stellen nur Vokale dar. Von allen Logogrammen und Syllabogrammen gab es mehrere Varianten, sodass sich der Schreiber die seinem ästhetischen Verständnis am besten angepasste aussuchen konnte. Teilweise geschah dies sogar durch große Wandgemälde, die nur ein Zeichen darstellen sollten.
Entzifferung
Im 16. Jahrhundert beschäftigte sich Diego de Landa, Bischof von Yukatan, mit den Schriftzeichen der Maya. Von einem adligen Maya, vermutlich Gaspar Antonio Chi, ließ er sich das spanische Alphabet in Maya-Schrift aufschreiben. Dieses sogenannte Landa-Alphabet diente trotz Fehldeutungen als Grundlage für die spätere Forschung. Eine Erforschung der Maya-Schrift gab es jedoch bis zum 19. Jahrhundert nicht. Die Komplexität der Schrift, aber auch Fehler beim Kopieren der Glyphen erschwerten eine wissenschaftliche Betrachtung.
Entzifferung der Zahlen
Um 1830 gelang es Constantine S. Rafinesque-Schmaltz, das Zahlensystem der Maya-Schrift zu verstehen. Er zeigte, dass es auf Punkten und Strichen basiert (ein Punkt steht für eine Eins, ein Strich für eine Fünf); außerdem deutete er einige Zeichen für verschiedene Götter, Tiere und Pflanzen.
Entzifferung des Kalendars
Diskus von Chinkultic
Die Grundlage für die Entzifferung der Maya-Schrift legte dann 1880 der deutsche Sprachwissenschaftler Ernst Förstemann (1822–1906), der den Dresdner Mayacodex analysierte und das Kalendersystem der Maya mitsamt seinen Jahreszyklen erklären konnte. Er zeigte, dass die Maya auch die Null kannten und auf Basis eines 20er-Systems sehr große Zahlen ausdrücken konnten. Die nutzten sie, um äußerst exakte Tabellen mit Sonnenfinsternissen und Venusphasen zu erstellen, aus denen günstige und ungünstige Zeiten für Jagd, Aussaat oder Kriegführung hervorgingen.
Förstemann erkannte mit der sogenannten Kalenderrunde das Zeitsystem der Maya, die aus drei ineinander verzahnten Kreisen (außen 365 „Sonnentage“, in der Mitte 20 Namen und im inneren Kreis 13 Zahlen) besteht und sich nach 52 Jahren in ihrer Konstellation wiederholt. Ihm fiel auf, dass ein bestimmtes Datum, das in die Vergangenheit datiert ist, immer wieder auftauchte, und deutete es als Beginn der Maya-Zeitrechnung.
1905 verglich der US-amerikanische Verleger Joseph Goodman das Kalendersystem der Maya mit dem heutigen Kalender und datierte den Beginn der Maya-Zeitrechnung auf den 21. Februar 739 v. Chr. Das brachte einen Durchbruch bei der Datierung unzähliger Stellen.
Entzifferung der Silben- und Bildzeichen
Dem sowjetischen Wissenschaftler Juri W. Knorosow gelang im Jahr 1952 ein entscheidender Schritt mit der Einbeziehung der bis dahin missverstandenen Angaben im sogenannten Landa-Alphabet, das er richtig als Silbenzeichen für die spanischen Buchstabennamen interpretierte. Er erkannte als Erster die Mischung von Silben- und Bildzeichen in der Maya-Schrift.
In der Staatsbibliothek fand er in einer Bücherkiste, die die Deutschen auf der Flucht zurückgelassen hatten, eine Ausgabe des Berichts von Diego de Landa, dem Inquisitor und Bücherverbrenner, über die Maya in Yukatan sowie eine Reproduktion der drei erhaltenen Maya-Handschriften. Die Manuskripte hatten übrigens nur überlebt, weil sie als Kuriosa in europäische Bibliotheken gelangt waren.
Ab ungefähr 1980 machte die Entzifferung der Maya-Schrift schnelle und völlig unerwartete Fortschritte, die sich in einer von schneller Kommunikation getragenen internationalen Kooperation einer kleinen Gruppe von Fachwissenschaftlern vollzog. Wichtiger Impulsgeber war der amerikanische Sprachwissenschaftler Floyd Glenn Lounsbury. Ihnen gelang mit der Entzifferung vieler bis dahin unbekannter Silben der Durchbruch. Eine wesentliche Erkenntnis war dabei, dass viele verschiedene Zeichen für eine Silbe stehen konnten.
Über 90 % der heute bekannten Maya-Schrift gelten bisher als deutbar.
Die Schriftzeichen der Maya findet man vor allem auf alten Gebäuden und Monumenten, in Form von Wandmalereien oder Epigraphiken, aber auch auf Keramik. Nur vier mit Sicherheit authentische Handschriften, sogenannte Codices, haben die Vernichtung fast aller brennbaren Schriftträger durch Diego de Landa, während der Conquista im 16. Jahrhundert überstanden.
Ihre nahezu vollständige Entzifferung ist erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgt. Die Schrift gilt inzwischen als lesbar bzw. deutbar.
Erhaltene Maya-Bücher
| | Madrider Codex | Dresdner Codex | | | Pariser Codex | Mexiko Codex |
Heute existieren nur noch vier authentische Maya-Handschriften:
Der Pariser Codex (22 Seiten) befindet sich in der Nationalbibliothek in Paris.
Der Dresdner Codex (auch Codex Dresdensis, 74 Seiten) ist in der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden einsehbar.
Der Madrider Codex (112 Seiten) befindet sich im Museo de América in Madrid.
Der Mexiko Maya Codex (11 Seiten); dessen Beschriftung wurde zunächst als Fälschung eingestuft,doch bestätigen neuere Forschungen seine Echtheit.
Quellen: national-geographic.de/ Welt.de/ Wikipedia.de
Fabian
Nichts schockiert mich, ich bin Wissenschaftler
Dieser Beitrag wurde 5
mal editiert, das letzte Mal am 24.05.2024, 11:45 von Fabilousfab.
|