Marc
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Dabei seit: 14.06.2005
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Betreff: Hutphilosophie...
Guten Abend!
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an mich... ich war vor vielen, vielen Jahren ein aktives Mitglied hier im Forum und hatte mir insbesondere beim Indy Fedora einiges an Wissen angeeignet, dass ich - in meiner persönlichen Suche nach dem "ultimativen Indiana Jones Fedora" - hier und da anwenden konnte.
Dabei muss jeder für sich definieren, was für ihn (oder sie, wobei die meisten in diesem Hobby nunmal männlich sind) der "ultimative Indy Fedora" überhaupt ist und darüber möchte ich nun gerne einige Gedanken mit Euch teilen. Vielleicht kann das ja sogar Fragen beantworten, die sich noch gar nicht ergeben haben.
Die Original-Fedoras aus Raiders - m.E.n. DER Indy Fedora schlechthin (Optik), wurde Anfang der '80 aus Hasenfilz gefertigt. Der Poet von HJ wurde aber nicht von Hand vor Ort gefertigt, sondern wurde im Laufe der Jahre von verschiedenen Firmen für HJ vorgefertigt und dann dort veredelt. Z.B. konnte vor Ort die Krempe gekürzt werden, oder ein anderes Hutband vernäht werden, aber es war in erster Linie ein "customizable off the rack product". Und zwar von wirklich guter Qualität. Sie waren weich und "floppy", geschmeidig, luxuriös und passten sich dem Kopf von Harrison Ford bei den Filmarbeiten an. Wie es bei Hollywood-Produktionen üblich ist, gab es davon mehr als nur einen, denn man stelle sich einfach mal vor, welche Auswirkungen es hätte, wenn ein so wichtiges Requisit bei den Dreharbeiten beschädigt wird oder eine Szene in der der Hut nass wird, neu gedreht werden muss, oder oder oder. Das alles ist weder überraschend noch neu, aber ein wichtiger Aspekt, wenn man für sich definieren möchte, was den für einen persönlich der "ultimative Indy-Fedora" ist. Es gibt Fans, die sehen die verwendeten Kostümteile als den "heiligen Gral" an, den es zu finden und zu besitzen gilt und daran ist nicht das Geringste auszusetzen. Hier geht es darum, genau das zu verwenden, was bei der Produktion eingesetzt wurde. Sei es ein Hut aus Hasenfilz, eine Lederjacke aus Lamm oder eine Peitsche die bestimmte Unregelmäßigkeiten in ihrer Flechtung aufweisen. Z.B. wurde bei Raiders in den Lederjacken ein Reißverschluss aus Aluminium verwendet, der aber bemalt wurde, damit er wie Messing aussieht. Das Futter war aus Baumwolle, auch in den Ärmeln und neben einiger kleineren Abweichungen der verschiedenen Jacken, gab es auch einige konstruktionsbedingte Eigenarten, die man bei einer Alltagsjacke anders gemacht hätte. Und warum auch nicht? Es sollte gut aussehen und im FILM authentisch wirken - was es ja auch tat. Ich habe im Laufe der Jahre Fans kennengelernt, die eben genau diese Eigenarten in ihrem Gear haben wollten.
Ich liebte dieses Kostüm! Es ist ein Inbegriff dessen, wofür Indiana Jones steht und verleiht ihm einen unverkennbaren Charakter. Nur... ICH wollte nicht nur, dass das Gear so aussieht wie im Film, ich wollte Gear, das so behandelt werden kann wie im Film und da kommen schon bei dem Reißverschluss aus Aluminium erste Diskrepanzen auf, denn ein solcher Reißverschluss hat nunmal nicht die längste Lebensdauer. Dass ich mich in einer Lederjacke aus Lamm nicht hinter einem Laster herziehen lassen kann, nun, dass dürfte nicht wirklich überraschen. Und so kommt eines zum anderen und wenn man sich tief genug in diesen Kaninchenbau hinab begibt (und bei Gott, das habe ich), dann kommt man zu dem Punkt, wo man merkt, dass man einige Dinge von der Wunschliste streichen muss, um andere Punkte erreichen zu können.
Ich habe mich daher gefragt, welches Gear Indiana Jones - hätte es ihn tatsächlich gegeben - für sich gewählt hätte und bin von DIESER Seite an die Definition des "ultimativen" herangegangen. Was können wir über Indy und seine Kleidung sagen? - Er trägt Alden (zumindest in den bisherigen Filmen). Alden war schon 1884 - als sie gegründet wurden - nicht Marke billig. Er trägt Maßanzüge an der Uni und bei entsprechenden Gelegenheiten. Er trägt eine maßgefertigte Jacke und weiteres Gear mit militärischem Background. Kurzum: ein doch sehr qualitätsbewusster Mensch.
Was hätte Indy - hätte es ihn tatsächlich gegeben - also wohl für einen Hut getragen? Gut, als Jugendlicher hat er den Deckel von Fedora übernommen, nachdem er das Kreuz von Coronado (temporär) "sichergestellt" hatte - ebenfalls ein Charakter der trotz seiner zweifelhaften Berufung scheinbar genügend Geld erwirtschaftete, um sich halbwegs ordentlich zu behüten. Er hat einen Hut getragen, der durch unzählige Bäder in Flüssen und Meeren entweder immer und immer wieder neu aufbereitet werden konnte, oder er hat sich alle paar Monate / Jahre einen neuen geholt. Ich mag die Idee, dass er den Hut immer und immer wieder aufbereiten lies und es scheint in den Filmen ja auch so, wie wenn ihm das Teil zu wichtig wäre, als es einfach auf der anderen Seite eine sich verschließenden Tür aus massivem Stein liegen zu lassen.
Dh. aber, dass der Hut eine Qualität haben muss, die das auch mitmacht und im besten Fall die Aufbereitung auf ein Minimum reduziert. Natürlich gehen auch hier die Meinungen wieder massiv auseinander und es gibt Menschen, die felsenfest davon überzeugt sind, dass eine Mischung verschiedener Haarsorten - ähnlich wie bei einer Stahllegierung - das beste aus allem hervorbringen. Ich teile diese Auffassung nicht. Für mich ist das nonplusultra Material für Hutfilz Biber. 100% Biber. Kein Muskrat, kein Wildhase, keine Nutria, nein Biber. Und damit hätten wir dann schon die erste Abweichung vom Filmgear, nach dem Motto "form follow function". Mit Biberfilz kann eine höhere Dichte erreicht werden, als mit Kaninchen, wodurch der Hut dann aber insgesamt ein wenig mehr wiegt. Aber... wenn man jetzt noch ein paar Zehntel mm stärkeres Material nimmt, damit dieses auch WIRKLICH den Elementen standhält... wäre das nicht im Sinne des Gedanken "one hat to do it all"? Und so kommen wir vom hundersten in's tausendste. Würde ein Mann wie Indy seinen Hut nicht einem erfahrenen Hutmacher zum überarbeiten geben? Jemand der die brim break area nicht mit einer Maschine perforiert wie ein Toilettenpapier sondern das Schweißband von Hand einnäht? Und das Futter nicht einklebt (ich hasse das)! Und würde dieser Hutmacher dem Filz nicht speziellen Techniken unterziehen, die ihn haltbarer machen? Wohl wissend, wie sein Kunde damit umgeht? Welchen Hut hätte Indy - hätte es ihn gegeben - für sich gewählt. DAS war der Hut, den ich haben wollte (und dabei sollte er natürlich trotzdem so aussehen wie im Film - oder besser noch; ein wenig dunkler, damit er nach vielen Jahren des Tragens zu genau diesem Braunton erblichen wäre).
Und wenn man sich vorstellt, dass der DB5 von Bond in etwa die Beschleunigung und die Endgeschwindigkeit eines modernen Mittelklassewagens hat, dann wundert es nicht, dass für die Dreharbeiten von No Time To Die 6-Zylinder-Motoren von BMW verwendet wurden...
Jetzt, wo ich dargelegt habe, warum Aussehen nicht alles ist, kann ich auch über meine Begegnung mit Thomas Osygus von Advintage sprechen. Ich kenne Thomas nun schon einige Jahre und was ich am Anfang von ihm gesehen habe, war genau das, was die Kostümfraktion des Gearsammlers begeistert hätte: sehr detailliert gemachte Kostümteile, die sich handwerklich und materialtechnisch nicht an die goldene Zeit der Hutmacherei orientierten, sondern für das gelegentliche Tragen bei schönem Wetter und / oder Comic-Con ähnlichen Veranstaltungen eigneten. Es fehlte einfach an "inneren Werten" und ich war es müde und leid, wenn eine solche "Optik-Queen" ernsthaft als seriöser Hut bezeichnet wurde, konnte aber auch kaum erklären, warum es schlichtweg nicht möglich ist einen handwerklich anständig gemachten Hut in 5-6 Stunden zusammenzuklöppeln, ohne meine eigenen Techniken preiszugeben. Dieser Eindruck hat sich massiv gewandelt! Ich habe Thomas nach Aufgabe meiner Schaffenszeit immer wieder mal besucht. Erst ausgesprochen argwöhnisch und vielleicht nicht mit den allerbesten Erwartungen, aber zunehmend mit mehr und mehr Respekt und Hochachtung vor seiner Lernkurve. Was als Neugier am Pfusch anfing, wandelte sich in einen ernsthaften Austausch über Techniken, die ich in den vergangenen Jahren von diversen bereits pensonierten Hutmachern gelernt habe (es gibt Menschen in Altenheimen, die einem wirklich ALLES erzählen, was früher ein Berufsgeheimnis war - nur damit sie dieses Wissen nicht mit in's Grab nehmen und ich habe das über Jahre hinweg gesammelt, gehütet und verfeinert). Ich habe ein hohes Maß an Achtung vor Thomas' Entwicklung als Hutmacher bekommen und aus Achtung wurde Freundschaft. Aus Freundschaft ergaben sich Gespräche über Techniken wie man meisterhafte Hüte macht und Thomas hat das in einer Art und Weiße umgesetzt, die mich stolz gemacht hat. Das sind Techniken, die man eben NICHT sieht. Aber sie dauern verdammt lange und sie werden sich langfristig - wenn man einen Hut so trägt wie Indy - in Form von aufbereitbarer und langlebiger Qualität mit einem hohen Anspruch an Liebe zum Detail widerspiegeln. Und wer das Glück hat ein Masterpiece(!) von Thomas sein Eigen zu nennen, wird diese Qualität - egal wie fancy die YouTube Videos der Marktbegleiter sind und wie schick ihre Werkstätten daherkommen - in der Kombination und dieser Haltbarkeit kaum woanders finden können. Falls überhaupt. Die Optik ist nunmal nur 30% des Hutes.
With that said: es mag sein das mir der eine oder andere den plötzlichen Weggang bis heute übel nimmt. Ich hatte meine Gründe und ich habe für mein Leben einen neuen Weg eingeschlagen, der sich für mich als richtig erwiesen hat. Aber die Tradition lebt fort.
Viele Grüße,
Marc
Marc Kitter
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