Fantasius
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Betreff: Re: Reclam Filmklassiker: Indiana Jones
Zitat von gorr:Hmm, bei dem Text fühle ich mich doch glatt an unsere gehäuften Diskussionen zum Thema Flugzeugabsturz-mit-Schlauchboot erinnert. ^^
Stimmt aber alles in allem. Nur die "am computer kalkulierte Dramaturgie" will mir nicht so recht einleuchten.
Gut erkannt, der Text geht nämlich wie folgt weiter:
"Da es das Gesetz des Genres ist, dass der Held jede gefährliche Situation überlebt, steigern Spielberg und Lucas die Situationen ins Abstruse: Eine gewaltige Steinkugel will den Helden zermalmen; in einer Grube muss er sich Hunderter von Giftschlangen erwehren; in einem Schlauchboot fällt er aus einem abstürzenden Flugzeug, rutscht im Boot über Himalaya-Gletscher und überlebt selbst den schwindelerregenden Absturz in einen Fluss, nur um eine noch aberwitzigere Schussfahrt in einer Lorenbahn zu überstehen. In Last Crusade setzen ihm Armeen von Ratten genauso zu wie die deutschen Panzer. Die münchhausenartigen Kabinettstückchen im Überleben gefährlichster, ja auswegloser Situationen sind zahllos. - Diese Ästhetik der Übersteigerung, die die Action-Szenen jeder Spannung beraubt, schafft jedoch einen Schwindel der Wahrnehmung, ein kaum noch Reagierenkönnen der Augen und Ohren des Zuschauers. Die Indiana Jones-Filme sind das absolut synthetische Kino als absolut kinetisches Kino. Die Welt löst sich in immer rapider werdender Beschleunigung auf." Bernd Kiefer
Kurz zu den Posts, die sich über diese Schreibe aufregen: Erstens ist der Stil noch fern der komplizierten Sprache, da gibt es wahrlich andere Kaliber. Und zweitens mag man zwar in irgendwelchen Anfängerkursen predigen, dass wissenschaftliche Publikationen spannend sein sollen, nur wer entscheidet über das Empfinden der Spannung? Richtig. Der Leser oder die Leserin. Der eine schläft dabei ein, den anderen spricht es an - ist eine ästhetische Frage. Grundsätzlich zielt Wissenschaftliches nicht auf Unterhaltung, sondern Information für Interessierte. Ich bin zwar auch eher dafür, dass Akademisches unterhaltend sein darf, prioritär ist aber Letzteres. Sicherlich gibt es einige Autoren, die sich ohne Aussage hinter Fremdwörtern und Schachtelsätzen verstecken, dazu würde ich aber Kiefer nicht zählen. Vom akademischen Standpunkt her ist die Wortwahl harmlos und für das, war er ausdrücken will, angemessen. Es ist nicht nur Geschreibsel. Jeder sollte doch in seinem Wortschatz Wörtern aus der Fremde Gastrecht gewähren Wer diese Art von Filmanalyse öde findet, der hat hier genügend Threads, die sich auf andere Art unserem Lieblingsthema widmen. Und warum zum Geier man das braucht? Weil es eine weitere Perspektive auf etwas Vertrautes bietet. Ich habe den Reclam-Artikel eher als Alternative zum Nachdenken über Indiana Jones gepostet - nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Zum Inhalt: Diskussionswürdig sind eher die Aussagen und weniger die Sprache. Meiner Ansicht nach löst sich bei Indiana Jones nicht die Handlung zugunsten der Ästhetik auf und von Schnitt-Stakkato kann in Zeiten von Jason Bourne wohl kaum mehr die Rede sein. Desweiteren sind die übertriebenen Action-Szenen zwar vorhanden, die Spannung geht dabei aber nicht verloren. Indy ist gerade einer dieser Charaktere, die sehr wohl verletzlich sind und denen man trotz aller Münchhausenanleihen den Tod zutraut. Indy ist nicht Superman. Natürlich wissen wir, dass er kaum sterben wird, trotzdem blutet und schwitzt er wie du und ich - John McClane ist dadurch ein ähnlicher Typus. Ein kleiner Fehler hat sich auch noch eingeschlichen: In Last Crusade jagen keine deutschen Panzer Jones, höchstens einer. Und warum soll sich die Welt auflösen? Beschleunigung ist sicherlich vorhanden, aber im Vergleich zum modernen Kino ist die Sinnbeanspruchung durchaus im Rahmen.
Adios
Fantasius
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