Der Szenarist
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Betreff: Re: Dial of Destiny - Reviews auch mit Spoilern
Zitat von Part-Time:Es war kein Indy-Film wie 1-3 oder auch 4, kein waschechter Indy-Film, sondern ein Film über Indy, den alten Indy, in Form eines Indy-Films. Bei all den Kritiken, die mir bisher untergekommen sind, ist das die schönste und reinste Beschreibung des Films. Wirklich schön gesagt!
Zitat von azrael:Ich kann noch nicht ganz sagen ob ich ihn nun gut fand oder nicht (ich bin heute nicht ganz bei der Sache und meine Gedanken schweifen ständig ab. Hatte einen richtigen fucking, scheiß beschissenen Tag). Das tut mir wirklich leid für dich. Vielleicht kannst du ihn dir in ein, zwei Wochen nochmal ansehen, wenn du den Kopf etwas freier hast? So als Belohnung an dich selbst, wenn es wieder besser läuft!
Ich kann die Kritiken jetzt voll und ganz nachvollziehen. Es ist kein Film, der einen total vom Hocker reißt, aber der einen halt doch irgendwie abholt und bei einigen Fehlern sehr viel richtig macht. Meine ersten Eindrücke, die sich in den kommenden Jahren natürlich noch sehr ändern können:
- Der Film hat das, was Crystal Skull gefehlt hat: Dass man mit den Figuren mitfühlt und mitleidet. Wo Indy, Helena, Sallah und Marion in ihrem Leben stehen, kann einen nicht kaltlassen. Und man will ihnen zuhören, wenn sie darüber sprechen.
- Vollers Gefolgsleute sind mir ein bisschen zu eindimensional. Voller hat den USA sehr geholfen, aber ich habe beim ersten Mal noch nicht ganz verstanden, warum er da jetzt so viele Leute unter sich hat (anscheinend sind ja alle außer Klaber beim CIA und sollen eigentlich auf Voller aufpassen). Genauso, wo auf Sizilien plötzlich die ganzen Nazis herkommen. Lange Zeit war nicht erkennbar, warum Klaber so heiß auf seinen Boss ist. Bis er sich dann umzieht.
- Die Bösewichter sind etwas zu leicht weggekommen. Man hätte ihnen ein grausameres Ende gewünscht.
- Voller ist der beste Indy-Bösewicht seit Belloq und vielleicht sogar auf einer Stufe mit ihm.
- Teddy war doch süß. Obwohl mich Kinder in Filmen immer total nerven. Er blieb schön im Hintergrund, hat nie genervt und hatte auch seine paar Heldenmomente. Somit wurde das Problem "Quoten-Kind" gut gelöst. Schlimmster Fehler (vielleicht sogar der schlimmste Fehler des ganzen Films): dieser random dude, der mit Teddy im gleichen Flugzeug ist. Warum? Einfach nur: warum? Das war komplett unpassend und zieht die Figur einfach nur runter. Meine "suspension of disbelief" hätte ausgereicht, um Teddy das Flugzeug alleine fliegen zu lassen, wenn man es irgendwie erklärt hätte. Man erkennt, wo die Drehbuchautoren gekämpft haben. Denn ohne zweites Flugzeug geht's nicht zurück und Helena und Indy waren ja zu beschäftigt, um eines mitzunehmen.
- John Williams hat großartige Arbeit gemacht. Ich habe ziemlich viele Cues aus den ersten vier Teilen erkannt, sind aber schön arrangiert und eingebettet worden. Die neuen Leitmotive sind (mit Ausnahme des Dingsi-Themas, das mir jetzt nicht in den Sinn kommen will) stark. "Helena's Theme" ist das Highlight und einfach irre wandlungsfähig. Ein Klassiker.
- Den naturwissenschaftlichen MacGuffin kann man eigentlich nur feiern. Der Indy-typische "es funktioniert nicht so, wie man denkt"-Moment zum Schluss ist super. Und der Verbleib des MacGuffins auch.
- Ich fand die Geschwindigkeit des Films fast perfekt. Etwas langsamer als Raiders und viel langsamer als Teil 2 bis 4. Ich hatte Angst, dass es wieder nur Action-Szene nach Action-Szene sein würde. Stattdessen bekommt man viele tolle und ruhigere Momente mit den Figuren.
- Der Humor wirkte teils sehr gezwungen und hat nicht gezündet. Insgesamt bei mir im Kinosaal bedenklich wenige Lacher. Vielleicht hätte man da besser Phoebe Waller-Bridge mit am Drehbuch schreiben lassen sollen? Bei Helenas "Guten Tag, meine freunds!" bin ich aber fast unterm Stuhl gelegen vor Lachen. Denke, dass das der besagte Moment war, wo das ganze Publikum in Cannes sich nicht mehr halten konnte. Bei mir im Kino war ich denke ich der einzige, der an der Stelle gelacht hat. Die Leute gingen stattdessen auf Helenas "I'm a huge fan" ab.
- CG: Das Deaging bei Indy fand ich zu 95 % grauenhaft uncanny valley. Der Witz ist: bei Voller fand ich das Deaging (das ja auch bei ihm zum Einsatz gekommen sein soll) 100 % glaubwürdig. Liegt es vielleicht an der steinernen Mine von Mads Mikkelsen und dass da nicht so viel Mimik zum Einsatz kommt? Eine weitere CG-Szene hat mich dann davon überzeugt, dass ich CG einfach nur scheiße finde, wenn man sie bemerkt: die klassische Indy-Karte mit der roten Linie. Auf diese Art und Weise in 3D einfach grauenhaft. Den Rest an CG fand ich super, da kaum bis nicht bemerkbar. Einziger kleiner Kritikpunkt vielleicht die kurze Einstellung auf dem Pferd aus dem Trailer, aber ist mir hier nicht mehr sauer aufgestoßen. Das Laufen auf dem Zugdach ist mir nicht negativ aufgefallen. Noch eine Idee... Ich mag es eigentlich nicht, wenn an Filmen im Nachhinein rumgeschraubt wird. Aber ich würde mir den Film in 50 Jahren gerne noch einmal mit besserer Deaging-Technologie ansehen, die dann quasi nichts mehr kostet. Schön ist, dass das Rohmaterial dafür ja aufgehoben werden kann...
- Den Klimax fand ich bombastisch gut. Schon alleine die Spannung, die bis zum großen Moment aufgebaut wurde. Dann der klassische Indy-Einwand, der sehr an "What about Plato's TENFOLD ERROR?" aus Fate of Atlantis erinnerte.
- Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie man über den Klimax geteilter Meinung sein kann. Oder über viele andere Dinge aus dem Film, die ich klasse fand. Aber es überrascht mich sehr, wie stark die Eindrücke auseinander gehen. "Love it or hate it." Allerdings weniger auf den Film als Ganzes als auf seine einzelnen Bestandteile bezogen. Hatten wir das schon mal?
- Ich werde mir den Film noch mindestens ein weiteres Mal im Kino gönnen.
- Noch zum Publikum: Ich war in der ersten Vorstellung des Films gestern und habe ihn auf Englisch gesehen. Es saßen mit mir 21 Leute in einem Saal für fast 200 Leute. Schön: Fast die Hälfte davon blieb bis zur letzten Note des Abspanns sitzen. Das habe ich im Kino noch nie erlebt.
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