Indy2Go
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Betreff: Re: Dial of Destiny - Reviews auch mit Spoilern
Nachdem ich den Film nun auch dreimal sehen und ein wenig setzen lassen konnte, möchte ich gerne noch ein paar Zeilen dazu schreiben.
Nach der ersten Sichtung war ich ehrlich gesagt ein bisschen ernüchtert, konnte zugleich aber nicht wirklich sagen, woran es lag. Es hat unglaublich gut getan, meinen Helden auf seine alten Tage nochmal auf der großen (in meinem Fall sogar weltgrößten) Leinwand erleben zu dürfen und grundlegend war ich absolut d'accord mit dem Plot und den gewählten Ansätzen. Aber die Sache ist, von der Tonalität her unterscheidet sich "Dial of Destiny" schon sehr stark von den vorigen Indiana-Jones-Filmen.
James Mangold ist kein Steven Spielberg und ich begrüße auch, dass er gleich von vornherein mit dieser Philosophie an den Film herangegangen ist und sein eigenes Ding gemacht. Mangold ist ein überaus fähiger Regisseur. Er hat - gerade auch in den letzten Jahren - viele tolle Filme gemacht und braucht sich nicht vor Spielberg zu verstecken. Letztlich bin ich vom inszenatorischen Stil her aber eher bei Spielberg, weil ich übersichtliche Action bevorzuge und sein Stil für mich auch besser zu dem Spirit der Filme passt, als Mangolds recht schnell geschnittene, nahe Action. Trotzdem ist es für mich kein Problem, dass der Film eine andere Handschrift trägt.
Allerdings besitzt "Dial of Destiny" nicht die Leichtfüßigkeit der bisherigen Indy-Filme. Es schwingt viel mehr Schmerz, viel mehr Reue mit - und das ist auch gut so, es ist schließlich kein Zufall, dass Zeit das zentrale Thema des Films ist. Er will eben ein Abgesang auf unseren Helden sein und hatte damit schon ganz andere Startvoraussetzungen. Das Problem ist nur, dass der Film damit, zumindest bei der ersten Sichtung, mit meiner Erwartungshaltung kollidiert ist. Da hat sich dann bei mir erst mal eine gewisse Ernüchterung eingestellt, denn ich hatte erwartet, einfach Spaß zu haben und Gänsehaut zu bekommen, wenn Indy zum "Raiders March" die Peitsche schwingt. Und das hatte ich auch, denn diese Momente gibt es in dem Film - aber sie spielen eben eher eine untergeordnete Rolle. Die generelle Tonalität ist eine andere und darauf musste ich mich erst mal einstellen.
Diese Tatsache akzeptierend, hatte ich bei der zweiten Sichtung aber schon viel mehr Spaß mit dem Film. Ich konnte mich viel besser darauf einlassen und verstärkt auch auf die liebevollen Details achten. Letzten Endes war es nie das Problem des Films, dass er sich anders anfühlt, sondern mein Problem, nicht darauf vorbereitet zu sein. Im Endeffekt finde ich es sogar mutig, dass "Dial of Destiny" damit auch ein Stück weit darauf pfeift, was das Publikum will und sich eher darauf konzentriert, die richtige Stimmung für seine Story zu finden, die ich wie gesagt sehr gerne mag und auch beim ersten Sehen schon sehr mochte.
Sicher, es gibt ein paar Unstimmigkeiten und Plot Holes, die vielleicht aber auch teils der Schere zu verdanken sind, z. B. dass Indy einfach so ins Ausland fliegen kann, obwohl er wegen Mordes gesucht wird. Letztlich fühlt sich die Geschichte aber gekonnt entwickelt an und passt thematisch sehr gut zu den Hintergründen des Films. Ich hätte zwar keine Altnazis als Gegenspieler gebraucht und hätte an sich begrüßt, wenn der Film einen eigenständigeren Weg wie "Temple of Doom" oder auch "Kingdom of the Crystal Skull" gegangen wäre, das ist aber nur eine persönliche Präferenz.
Was mich nach wie vor ein wenig stört ist, dass gerade an Indys letztem Arbeitstag alles zusammenkommt - die Apollo-Parade, dass Indy gerade zufällig über Archimedes und die Antikythera unterrichtet und Helena auftaucht und dass dies zugleich Voller und seine Leute auf den Plan ruft. Das hat sich für mich ein wenig arg konstruiert angefühlt (auch wenn man argumentieren kann, dass es auch wieder irgendwo zu Filmthema und -titel passt). Genauso ist Helena für mich keine ganz stimmige Figur. Natürlich hat sie Indy in der Bar etwas vorgespielt, aber der Moment fühlte sich für mich zu authentisch an, um sie in der nächsten Szene gleich komplett gegenteilig darzustellen. Das schien mir etwas schablonenhaft und Helenas überhebliche Art - vor allem in der Auktions-Szene - machte die Figur sehr unsympathisch. Das war natürlich auch der Sinn der Sache und letztlich blieb davon nicht sehr viel übrig, da sie sich ja sehr positiv entwickelt hat. Ein wenig mehr Fingerspitzengefühl hätte ihr aber meines Erachtens gut getan. Nett finde ich dafür die Parallelen - auch charakteristisch - von Helena und Teddy zu Indy und Shorty in "Temple of Doom". Im Grunde genommen war Indy in diesem Film genau so ein A*schloch wie Helena zu Beginn (allerdings vielleicht ein etwas liebenswürdigeres ).
Ein wenig zwiegespalten bin ich, was den Prolog angeht. Ich mag den Ansatz und finde das De-Aging gelungen, wenn auch vielleicht nicht ganz so überzeugend, wie ich es nach den Trailern erhofft hatte. Konzeptioneller und technischer Aspekt gehen für mich aber absolut klar. Ich finde auch stark, einen Film so zu starten, indem man den Zuschauer geradewegs in die Action reinschleudert. Selbst die Transition vom Lucasfilm-Logo in den Türriegel empfand ich als passablen Ersatz für die fehlende Paramount-Transition. Von der Eröffnungssequenz hätte ich mir aber ein bisschen mehr Indy-Feeling versprochen, das wollte aber aus irgendwelchen Gründen nicht so richtig entstehen. Ich denke letztlich war die Sequenz auch ein bisschen zu vollgestopft mit Handlung, was zu einem etwas merkwürdigen Pacing geführt hat.
Richtig gut fand ich dafür das Ende. Einerseits die letzte Szene mit Marion, andererseits das Finale bei Archimedes. Ich kann die Kritik zum Teil nachvollziehen und hätte tatsächlich auch ein Szenario spannender gefunden, wo die Reise wirklich ins Jahr 1939 geht und Indy in die problematische Situation kommt, dass er Hitler retten muss, denke aber, das wäre vermutlich zu komplex geworden und hätte den Film noch um einiges in die Länge gezogen. Deshalb bin ich mit dem gewählten Ende sehr glücklich. Für mich hat der Film in den letzten Minuten nochmal enorm an Fahrt aufgenommen und die ein oder andere Länge, die er im Mittelteil vielleicht hat, damit entschuldigt.
Alles in Allem habe ich ein bisschen gebraucht, um mich wirklich mit dem Film anfreunden zu können, empfinde ihn spätestens jetzt, nach der dritten Sichtung, aber als einen guten, würdigen Abgesang auf unseren Helden, der nicht frei von Fehlern ist, aber auch viel Mut beweist.
Marc S.
Bismarck biss Marc, bis Marc Bismarck biss.
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mal editiert, das letzte Mal am 12.07.2023, 11:43 von Indy2Go.
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