Indy2Go
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Betreff: Re: Der letzte Film
Birds of Prey (and the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn)
Oh je. Was für ein schrillbuntes, erzwungen cooles und chaotisches Machwerk. Ich hielt es eigentlich für eine gute Idee, mit Harley Quinn einen der großen Lichtblicke im meiner Meinung nach leider doch recht verkorksten "Suicide Squad" in einem Ableger in den Mittelpunkt zu stellen, einen Film um eine weibliche Antihelden-Truppe zu machen, in dem es auch mal ein wenig härter zugehen darf. Aber weder der Feminismus, noch das Kino gewinnt hier irgendwas. Das dargestellte Gesellschaftsbild ist ideologisch, Männer sind die Bösen, und zwar ausnahmslos, Frauen die Betrogenen, die Unterdrückten, die Gepeinigten, die sich nun endlich vereint gegen diese Ungerechtigkeit zu wehr setzen. Und natürlich dürfen sie dabei nicht mehr sexualisiert werden, nicht mehr reine Dekoration sein, wie Regisseurin und Cast nicht müde werden zu beteuern. Und doch kämpft sich Margot Robbie in durchnässter Kleidung und Hotpants, die ihre Unterwäsche durchscheinen lassen, durch den Film. Natürlich in super unaufreizenden Slow-Motion-Einstellungen.
Der Film ist eine einzige Adaption des "Men are trash"-Hashtags. Er kritisiert viele Punkte zu recht, pauschalisiert aber und wird dabei nie wirklich konkret. Und er hebelt seine eigene Kritik damit aus, dass er seine Protagonistinnen doch wieder nur als Männerfantasien inszeniert. Aber eben mit erhobenem Zeigefinger. Dabei ist er so laut, bunt und kitschig wie die Batman-Serie mit Adam West und mit seinem penetranten Voiceover so anstrengend, wie die Schöpfungen eines Ed Wood. Nur besitzt "Birds of Prey" noch die Dreistigkeit, seine chaotisch Erzählweise offen anzusprechen, er weiß, wie unelegant er erzählt ist und will dem Zuschauer sogar sein Recht auf Kritik absprechen - über eine Harley Quinn, die ganz offen zum Publikum sagt: "Es ist meine Geschichte, also erzähle ich sie, wie ich es will".
Und das ist ein heilloses Durcheinander, mit eingeschobenen Figuenvorstellungen (natürlich mit den quietschbunten Pop-Up-Schriften eines "Suicide Squad") und gewollt hippen Zeitsprüngen, die alle nach dem Motto "vielleicht hätte ich noch erwähnen sollen, dass..." ablaufen. Ich will den Film nicht schlechter machen, als er ist. Schon gar nicht will ich jemandem den Spaß daran vermiesen, zumal dieser Stil sicherlich für viele funktionieren wird, wie er es etwa schon bei den Deadpool-Filmen tat. Aber einen kompletten Film aus dem Off zu erklären, in Worten, widerspricht einfach meiner Vorstellung vom Filmemachen. Genauso der aufdringliche Look, das vollgestopfte Figurendesign, die viel zu bequemen Zufälle und der komplett austauschbare Plot.
Der Kritik am fehlenden Respekt vor der Comicvorlage dagegen, kann ich mich nicht anschließen. DC leben von Neuinterpretationen ihrer Figuren, was nach dem gescheiterten Versuch eines Universums nach dem Vorbild Marvel, nun auch in der Filmwelt angekommen zu sein scheint - schließlich hat man sich zuletzt erst mit "Joker" auf ganz neues Terrain begeben. Und da darf meiner Meinung nach ruhig auch eine homosexuelle Beziehung zwischen Black Mask und Victor Zasz angedeutet werden. Problematischer finde ich da, dass mit Zasz eine vielversprechende Figur in ihrer ersten Kinoadaption auf nichts als einen Handlanger reduziert wird. Zumindest schafft es Ewan McGregor glaubhaft, aus Black Mask einen schizophrenen Soziopathen zu machen, bei dem sich dann allerdings die Frage aufdrängt, ob er mit weißer Farbe und Clownsschnute im Gesicht, nicht mehr Joker wäre, als Jared Leto es je war.
Generell ist der Cast einer der wenigen positiven Aspekte des Films - und in seinen besten Momenten sogar dazu in der Lage, ihn zu tragen. Ohne Zweifel ist Margot Robbie der strahlende Star, das Aushängeschild, des Streifens. Man kann ihr kaum nachsagen, keinen Spaß an der Rolle gehabt zu haben - und keinen Spaß darin zu bereiten. Ihr in ihrer Paraderolle zusehen zu können gibt dem Film seine Daseinsberechtigung. Doch ist da eine Kollegin, die Robbie in ihren viel zu wenigen Momenten tatsächlich ein kleines Bisschen die Show stielt: Mary Elizabeth Winstead. Ihre impulsiv-cholerische Huntress, strahlt echte Coolness aus, prügelt sich nicht in hautengen Leggins mit einem Gummiknüppel durch die Menge und übt offene Kritik an den Allüren ihrer Zwangsverbündeten - und hält damit zumindest im Alleingang die im Titel versprochene Emanzipation ein.
Marc S.
Bismarck biss Marc, bis Marc Bismarck biss.
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