Indy2Go
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Betreff: Re: Der letzte Film
Blade Runner 2049
Ridley Scotts mit Stilmitteln des Film noir erzählte und inszenierte Science-Fiction-Dystopie "Blade Runner" bedeutete ein Jahr nach John Carpenters "Escape from New York" die endgültige Etablierung des Cyberpunks im Kino. Die Atmosphäre wurde düsterer, die Tonalität pessimistischer - nicht unbedingt etwas für den Mainstream. Und so schwer es der Kultfilm anfangs beim Massenpublikum hatte, hatte er es tatsächlich auch viele Jahre lang bei mir. Zweifellos ist der Film ein ästhetisches Meisterstück, doch mit dem gemächlichen Erzähltempo und der philosophischen Auseinandersetzung mit der Frage nach der Bedeutung von Menschlichkeit hat er mich immer etwas angestrengt. Das hat sich mit den letzten Sichtungen (vor wenigen Wochen und knapp einem Jahr) gänzlich geändert. Inzwischen kann ich mich vollends in den Bildern verlieren und in die in der Tat grandiose Welt eintauchen, die Scott seinerzeit geschaffen hat.
Und genau diese Welt nun in einem Sequel wieder aufleben zu lassen, ohne dass ihr an Reiz verloren geht, ohne dass die Bilder etwas von ihrer Schönheit verlieren oder die Handlung in Belanglosigkeit verkommt, schien mir in Zeiten, wo Sequels die Kinoprogramme dominieren und Reboots als solche ausgegeben werden, ein durchaus schwieriges Unterfangen zu werden. Jedoch ist Denis Villeneuve gewiss kein Regisseur, der unbedacht an ein solches Herzensprojekt herangeht. "Blade Runner 2049" steht zu seinen Wurzeln. Die Macher wussten zu jeder Zeit, in welchen Fußstapfen sie wandeln. Sie traten dabei aber nicht auf der Stelle, sondern haben nach vorne geschaut, sie haben die Geschichte weitergesponnen und bei ihrem Verlauf Wert auf eine wechselnde Erwartungshaltung des Zuschauer gespielt. Wie auch schon Villeneuves "Arrival" ist auch sein Sequel des Harrison-Ford-Klassikers ein Film voller Twists und roter Häringe, ein Film, der sich zu keiner Zeit anmerken lässt, wo er hin will.
Und dabei liefert Kameralegende Roger Deakins Bilder für die Ewigkeit. Ich will nicht pathetisch klingen, doch könnte beinahe jede Einstellung in "Blade Runner 2049" ein Gemälde sein. Ein Kunstwerk für sich. Schade ist nur, dass diese Bilder nicht von einem ähnlich unkonventionellen Score untermalt werden, wie ihn einst Vangelis lieferte. Die synthetischen Melodien des griechischen Komponisten trugen wunderbar zur Atmosphäre des Originals bei - und klangen so wunderbar nach den 80er Jahren. Für das Sequel setzten die Macher auf Hans Zimmer und dessen "Dunkirk"-Kollegen Benjamin Wallfisch. Zweifellos haben die beiden einen epochalen Soundtrach beigeseuert, der die Bilder perfekt antreibt. Doch ich erinnere mich an eine Zeit, wo ein Zimmer-Score wirksam war, ohne dass nur auf dröhnendes Sounddesign gesetzt wurde. Irgendwo schade.
Während sich Harrison Fords Figur im "Krieg der Sterne"-Reboot um keinen Milimeter weiterentwickelt hat, durfte Rick Deckard, seine Figur im Blade-Runner-Universum, sich die Jahre des Schmerzes, das Leben als Flüchtiger, vom Rest der Gesellschaft isoliert, auch anmerken lassen. Und dabei ließ Ford mal so richtig den verbitterten Drecksack heraushängen; eine Rolle die ihm mit zunehmendem Alter irgendwie besser steht. Und, zugegeben, mir den Glauben an eine Fortführung der Indiana-Jones-Reihe zurückgegeben hat. Die interessanteste Entwicklung macht aber wohl der von Ryan Gosling dargestellte Officer K durch. Mit dessen Freundin, der von Ana de Armas gespielten Joi, wurde neben den Replikanten sogar noch eine weitere synthetische Art eingeführt. Eine, deren Idee nebenbei bemerkt doch sehr an den Spike-Jonze-Film "Her" erinnert. Jared Leto bekam überraschend wenig Screentime, dafür ist seine Figur in ihrer Konzeption die beinahe interessanteste des Sequels. Und auch irgendwo die tragischste.
10/10
Marc S.
Bismarck biss Marc, bis Marc Bismarck biss.
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