Jean Royale
Mitglied

Beiträge: 90
Dabei seit: 24.06.2011
Wohnort: -
|
Betreff: Re: The Adventures of Tintin
Vorgestern war ich auch mit meiner Freundin im Kino. Sie hatte schon lange anvisiert, den mit mir zu gucken. Ich bin mit Tim und Struppi groß geworden, und das Erste, was ich tatsächlich selbständig gelesen habe, war aus Tim in Amerika ein Fluch: Hunderttausend verfaulte Bananen! Ich bin damals ganz stolz zu meiner Mutter gerannt und hab ihr das vorgelesen. Leider weiß ich nicht mehr, wie sie reagiert hat und sie kann sich nicht mehr dran erinnern.
Als ich dann Comic-Zeichner werden wollte, habe ich festgestellt, dass ich am allermeisten von Hergé beeinflusst worden bin, obwohl ich zu dem Zeitpunkt Spirou von Franquin geliebt habe. Tja, da war ich jetzt schon skeptisch, ob Tim in 3D tatsächlich funktioniert. Und obwohl mich vermutlich einige steinigen werden - aber seit RotLA hat Spielberg nie wieder etwas ähnlich gutes geschafft, absolut nicht. Im Gegenteil - ich finde, allerspätestens seit Schindlers Liste fehlt seinen Filmen etwas, das ganz Besondere, das gewisse Etwas. Er ist vielleicht satt und zu routiniert geworden, auch wenn die Filme nach wie vor gut gemacht sind und viel bemerkenswertes handwerkliches Können zeigen. Trotzdem "sprühen" sie nicht mehr. Und dann noch Peter Jackson als Produzent! Ich werde mich nie mit seiner Version von LOTR anfreunden können, weil er den Grundton, die Stimmung des Buches nicht getroffen hat und mich die ständigen Kamerafahrten auf die traurig guckenden Nasenspitzen der Darsteller auf die Palme bringen, genau wie die völlig unpassende übertriebene Ernsthaftigkeit der düsteren Videospiel-Elben. Im Buch singen sie, lachen viel und klettern im sonnigen Wald herum. Da hab ich Angst bekommen, was der aus Tim und Struppi macht: wird Tim dann auch so ein Hundeblick-Hobbit ...? So war ich nur schwer zu überzeugen, mir Tim und Struppi anzuschauen.
Aber ich bin ganz gut unterhalten worden. 3D ist vermutlich super, nur kann ich es halt aufgrund eines Sehfehlers nur halbwegs genießen, was echt sch** ist! 2D sehe ich nämlich im Alltag schon genug. Aber die Idee, alles digital zu machen, ist perfekt, denn dadurch entsteht im Lauf des Films eine ganz eigene Realität, die genau zu Tim und Struppi passt, finde ich jedenfalls. Auch die Figuren sind sehr gut getroffen und ich bin überrascht, wie clever und für den Film passend die verschiedenen Alben kombiniert wurden. Das alles ist sehr gut gelungen, auch der häufig ja etwas kindgerechte Slapstick der Comics ist im Film wiedergegeben. Schade nur, dass Tim in den Bewegungen etwas steif wirkt.
Was mir dagegen nicht gefällt, ist die ununterbrochene, fast aufdringliche Bewegung der Bilder. Im Gegensatz zu Hergé, der genau wusste, wann er Tempo aus der Story nehmen muss und Ruhepunkte setzen sollte, übertreibt Spielberg furchtbar und hält alles ununterbrochen in ständiger Unruhe. Das mag vordergründig argumentiert an modernen Sehgewohnheiten geschult sein, aber das ist ja gerade das, was mich an Spielberg mittlerweile so enttäuscht: Die ruhigen Momente, die seine frühen Filme häufig ganz nach vorn bringen, gibt es hier nicht mehr. Hier gibts nur Achterbahn, hau den Lukas, immer volle Pulle. Na gut, das mag anderen vermutlich mehr zusagen. Aber dafür sind die Bilder wirklich beeindruckend und die Settings sehr liebevoll gestaltet. Optisch ist der Film halt super, besonders, weil überall Kleinigkeiten aus allen möglichen Alben auftauchen.
Lukas
"Das sind nicht die Jahre, Schätzchen, das ist Materialverschleiß." 
|