Damon
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Betreff: Re: Young Indy DVD Box
Nach langer Zeit bin ich nun auch endlich in den Besitz und Genuss der DVDs gelangt - und ich bin völlig begeistert! Schlechte Reviews hier und dort, vor allem gegen Sean Patrick Flannery, der eine zu hohe Stimme hätte, und im Gegensatz zu Ford nicht kräftig genug wirke (WTF?), gepaart mit der wenig erbaulichen Aussicht einen neun-jährigen Indy beim herumspringen zuzusehen, haben mich bislang davon abgehalten der Serie eine Chance zu geben, zumal ich auch irgendwie davon ausging, dass die DVDs recht teuer seien. Außerdem scheint Young Indy im Fandome eher ein Schattendasein zu genießen. Ein paar Clips auf Youtube haben mich dann aber doch neugierig gemacht und ich bestellte vorsichtshalber mal nur die zweite Box. Die anderen beiden folgten sofort, denn was ich da serviert bekam, traf genau meinen Geschmack.
Ich weiß gar nicht was ich zuerst über den grünen Klee loben soll! Das Produktionsniveau vielleicht? Die tollen Drehorte, die Kostüme, Autos und einfach diese unheimliche Liebe zum Detail? Die aufwändige Musik, bei der man mal nicht gespart hat? Oder doch der bekannte Sound mit all den Gewehrschüssen, Explosionen und Punches, die für so viel Spaß bei den Schlägereien (von denen es reichlich gibt) sorgen? Die Effekte hingegen schwanken stark zwischen sehr gut (denn ich bin mir sicher, dass ich viele Effekte gar nicht als solche erkannt habe) und nicht gut, aber dennoch charmant. In dieser Hinsicht scheine ich ein bisschen komisch gepolt zu sein. "Billige" Effekte machen mir hier viel mehr Spaß als das auf Hochglanz polierte Spektakel vom Kristallschädel. Die mutigen, abwechslungsreichen und hervorragend recherchierten Geschichten sind ein weiteres großes Plus! Schön, dass man sich Zeit für Experimente genommen hat, eine Serie ist dafür ideal. Und tatsächlich war unterm Strich nur eine einzige Gurke dabei (die Geschichte mit Mata Hari, die auch Remys Auftritte nicht mehr retten konnte) Die viel kritisierten ständigen Zusammenstöße mit berühmten Figuren empfand ich auch nur als positiv. Einzig beim ganz kleinen Indy hat es stellenweise erzwungen gewirkt (T.E.Lawrence kommt einfach mal mit dem Fahrrad vorbei?)
Letztendlich steht und fällt so eine Serie allerdings mit dem Hauptcharakter: in diesem Falle dem Darsteller von Indiana Jones. Ich muss sagen, ich bin immer noch nicht besonders wild auf die Corey Carrier-Episoden, obwohl ich sie letztendlich als weitaus angenehmer empfand als befürchtet und Carrier hat sich durchaus Mühe gegeben. Ich habe da zwar nicht viel Indy gesehen, aber störend waren die Episoden nun nicht. Zumal er auch Unterstützung von einem hervorragenden Henry Jones Senior, einer tollen Miss Seymore und einer leider unterforderten Anna Jones hatte. Dennoch bedeutet Young Indy für mich vor allem eines: Sean Patrick Flannery! Ich fand ihn schlicht großartig in der Rolle. Die Vergleiche mit River Phoenix sind ein wenig unfair. Zum einen hat der Indy nur für zwanzig Filmminuten gespielt. Das sind was... zwei Drehwochen? Flannery hat ihn drei Jahre lang verkörpert. Ohne dabei Zugang zu Ford zu haben, um sich ein paar Dinge abgucken zu können. Zugegeben, Oscar-reif war seine Leistung jetzt nicht, aber er hatte für mich genau die richtige Präsenz, hat die Serie fast im Alleingang gestemmt, mit allen möglichen Stunts, hat es geschafft Indys nicht gerade selten dämliche oder naive Taten sympathisch zu verkaufen und ICH habe eine Menge Indy hier erkannt - wenn auch eher in der Gestik als der Mimik. Aber die Art wie er den Hut aufsetzte, Pferde ritt, beim Laufen mit den Armen ruderte und dergleichen, das war einfach unverkennbar. Und gegen die anderen Schauspieler hat er sich hervorragend behauptet, und da waren einige - eigentlich nur - gute dabei! Lenin, erschreckend echt. Drakula, unfassbar, dass da Robert "Cleveres Kerlchen" Muldoon dahintersteckte. Hätte ihn nie erkannt, wenn ich nicht zufällig den Namen Bob Peck in den Credits erspäht hätte. Aber besonders Remy hat sich mir ins Herz geschlichen. Ein toller Charakter, der nicht auf die rolle des klassischen Side-Kick beschränkt wurde. Auch Paul Freeman als Selous war ganz große Klasse. Ich könnte stundenlang weitermachen.
Platz für Kritik gibt es aber auch. So war das... "pacing" einiger Episoden recht komisch, manche haben lange gebraucht, bis sie mal zur Sache kamen. Ich glaube zuerst wussten die Autoren nicht, wie sie ihre Geschichten auf eine Stunde stutzen sollten, und später, als sie dann zweistündige Geschichten drehten, wussten sie wohl manchmal nicht mehr so recht, wie das jetzt eigentlich ging. Während manche Episoden einem die Moral von der Geschicht regelrecht unter die Nase rieben, hätten andere wieder etwas deutlicher werden müssen. So war Indys Motivation sich in den Krieg zu begehen doch eeeeetwas unklar. Okay, er war ein Ausbrecherkönig, hatte keine Lust auf Schule und erst recht nicht auf seinen Vater, und Neds Briefe haben ihn dann wohl auch beeinflusst, aber seine Begründung, dass das ein Krieg sei, der es wert sei zu kämpfen, war dann doch stark an den Haaren herbeigezogen. So Sachen kamen hier und da vor, insgesamt war die Charakterzeichnung aber erstaunlich gut.
Was mich aber doch gestört hat, waren die Frauen. Also nicht die Frauen selbst. Erstens haben wir es schließlich immer noch mit Indiana Jones zu tun und zweitens waren sie alle ausgesprochen hübsch. Bemerkenswert hübsch sogar. Kann vielleicht daran liegen, dass einem als Zuschauer Brüste und Schminke hier mal NICHT direkt ins Gesicht gesprungen sind, wodurch man tatsächlich mal auf die Gesichte rachten konnte. (Naaaancy :love:) Nein, was mich stört ist, dass Indy sich dauernd unsterblich verliebte und auch noch gefühlt jeder zweiten Frau einen Heiratsantrag machen wollte. Einzeln betrachtet gewinnen die Episoden dadurch vielleicht sogar, aber wenn man sie kurz hintereinander schaut, dann wird dieses Element doch arg überstrapaziert, auch wenn ich es akzeptiere, dass das damals halt so üblich war, auch mit 17 bereits heiraten zu wollen. Aber sei es drum.
Ein kleiner Kritikpunkt sei noch der Hut. Keine Ahnung, wer auf die Idee kam, die Krempe hinten herunterzuklappen, aber das sah doof aus. In manchen Episoden war es okay, in anderen hingegen hat der Hut reichlich hässlich ausgesehen. Es war gottseidank nichts, was mich aus den Episoden gerissen hat, aber dass man ausgerechnet hier schludert (wo alle um Indy herum vernünftige Fedoras tragen) ist lächerlich.
Der Tatsache, dass es so wenige Hinweise auf die Ford-Filme gab stehe ich ein wenig ziegespalten gegenüber. Auf der einen Seite finde ich es mal gut, dass man es sich nicht leicht gemacht hat, wie das andere derartige Serien tun, und mit Anspielungen nur um sich geschmissen hat. Auf der anderen Seite jedoch... koooomt schooon. Wenigstens der Gral hätte mal erwähnt werden dürfen. Oder Markus. Und überhaupt. Als Indy in Spring Break Adventure dann doch mal zur Peitsche gegriffen hat, habe ich ja schon gejubelt. ETWAS mehr davon hätte sicher nicht geschadet.
Bei den Episoden selbst waren einige positive Überraschungen dabei. So hatte ich mich bei der Kafka-Episode trotz diverser Befürchtungen herrlich amüsiert, obwohl ich mit Kafka selbst gar nicht viel am Hut habe. Der Spanien-Teil mit den bebkloppten Intelligence-Offizieren hat mir aber noch besser gefallen. Auch Tales of Innocence konnte mit der zweiten Hälfte punkten. Das war mal eine schöne (und subtile) Liebesgeschichte. Tolle Schauspielerin! Auch "Skandal" hat mich ziemlich begeistert - schon alleine wegen der Musik. Genau wie Mysterie of the Blues. Hier dachte ich, die Episode sei lediglich wegen dem Ford-Auftritt beliebt. Mir hat der Jazz-Anteil aber fast noch besser gefallen. Dass mir die Tolstoy-Geschichte so gut gefällt, hätte ich auch nicht gedacht und Journey of Radiance hat auch irgendeinen Nerv getroffen. Ansonsten sind eben die üblichen Verdächtigen in meiner Hitliste: Hawkmen, Peacocks Eye, Daredevils, etc.
Ungeschlagen jedoch zwei der drei Afrika-Episoden und Winds of Change. Der Phantom-Zug ist einfach nur ein Fest, hier hatte ich so richtig Spaß, in jeder Sekunde. Größter Lacher: Wie Indy seinen eigenen Ballon abschießt. Der Apfel fällt halt nicht weit vom Stamm. Oganga war einfach nur erstklassiges Fernsehen. Wenn es eine Geschichte gibt, die man von Young Indy gesehen haben sollte, dann wohl diese. Und Winds of Change... ich hatte ungelogen während der gesamten ersten Hälfte einen Kloß im Hals. Und etwas ins Auge geflogen ist mir wohl auch, muss ich zugeben 8[
Und das ist nur die Serie selbst! Dazu kommen aber noch die erstklassigen Dokumentationen. Und wie viele es davon gibt! Ich habe das Gefühl gerade erst an der Oberfläche gekratzt zu haben, obwohl ich mir schon ein paar angesehen habe. Nur schade, dass es kein Making Of gibt?
Als Fazit lässt mich die Serie mit einem weinenden und einem lachenden Auge zurück. Weinend, weil hier eine weitere großartige Serie unverdient abgesetzt wurde. (Wobei ich zugeben muss, dass ich auch nicht weiß, was sich die Macher hier gedacht haben das alles durcheinander auszustrahlen. Wäre ich plötzlich mitten in Spanien gewesen, mit einem Typen namens Defense, ohne zu wissen, was eigentlich Sache ist, hätte ich wohl auch nicht weiter eingeschaltet.) Jetzt fehlen leider einige Puzzleteile. Der Übergang zwischen dem jungen und dem erwachsenen Indy ist alles andere als flüssig, die Soldatenausbildung mit dem angedeuteten Mordfall fehlt, was schade ist, da ich annehme, dass Indys und Remys Freundschaft gerade hier so richtig eng geworden wäre, und ein würdiges Finale gibt es leider auch nicht. Skandal ist zwar toll, hat aber nicht gerade ein positives Schlussbild und Hollywood Follies hat mich merkwürdig kalt gelassen. Freuen kann ich mich aber dennoch, denn was ich bekommen habe, hat genau meinen Nerv getroffen und Indy bedeutet für mich nicht mehr nur Harrison Ford. Und DAS will was heißen.
SO macht Geschichte Spaß!
Damon
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mal editiert, das letzte Mal am 04.02.2012, 18:57 von Damon.
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