Marc
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Betreff: Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Adventurebilt Deluxe
Liebe Indyfans,
es hat mich fast eine Woche gekostet den Entschluss den ich am letzten Wochenende fassen musste mitzuteilen. Ich hoffe, es ist für Euch in Ordnung dass ich mich deshalb nicht knapp und bündig formuliere, sondern – auch für mich – die ganzen Jahre die ich diesem Hobby gewidmet habe zumindest stichpunktartig revue passieren lasse.
Meine Leidenschaft zu Indiana Jones – insbesondere dem Hut – fing an als ich mit 13 auf dem Rechner meines Vater das Adventure „Indiana Jones and the Last Crusade“ entdeckte. Das Spiel hielt mich für Wochen in seinem Bann, bin ich anfing mir die Filme anzusehen, mich mit der Gralslehre zu beschäftigen und der nicht zu unterdrückende Wunsch entstand, auch so einen Hut zu besitzen. Für mich war und ist der Hut immer das charakteristischste an Indy’s Kleidung und daran hat sich bis heute nichts verändert. Natürlich kamen im Laufe der Jahre auch ein ausgeprägtes Interesse an den anderen Dingen zusammen und ich müsste lügen, wenn ich behaupte dass ich den Boots, den Shirts, dem Holster usw. usw. nicht mit dem gleichen Fanatismus hinterher gejagt wäre, aber das ist eine andere Geschichte.
Als ich im Jahre 2000 das COW entdeckte, musste ich feststellen, dass das „gear“ von Indy auf andere genauso faszinierend wirkte wie auf mich und dass es Menschen gab, die das Wort „screen accuracy“ zu einer Art eigenen Suche nach dem heiligen Gral gemacht hatten. Es brauchte natürlich nicht viel um mich auf meine eigene Suche zu machen und schon nach kurzer Zeit hatte ich mich mit Steve angefreundet. Einer für den der Hut ebenfalls an erster Stelle stand und der – wie ich – mit den damaligen Angeboten alles andere als zufrieden war. So ging im Laufe der Jahre ein kleines Vermögen für immer neue Hüte, zu immer höheren Preisen über die Ladentische der verschiedenen Hutmacher und Steve und ich studierten dabei alles was uns zum Thema Hüte in die Finger kam. Wir analysierten antike Hüte und ihre Machart, sprachen mit Hutmachern hier und in den Staaten und erarbeiteten uns nach und nach ein fundiertes Wissen an traditioneller Hutmacherei, während wir fast täglich an DEM Block arbeiteten. Es war eine tolle Zeit, die ich ungerne missen möchte. Wir haben beide viel mit und von einander gelernt und als Steve 2004 Adventurebilt Hat Co. gründete, dauerte es nicht lange bis ich mit dem Adventurebilt Deluxe nachzog.
Danach verlief das Leben fast wie im Zeitraffer. Während sich die Fertigkeiten immer weiter entwickelten, neue Techniken erfunden, geprüft, verbessert, abgewandelt und perfektioniert wurden, wurden die Lieferzeiten länger und länger. Wir waren wie im Rausch. Dann kam Indy IV und wie wenn man das ganze noch irgendwie toppen könnte, die internationale Anerkennung unserer handgemachten Hüte durch andere Hutmacher und Kunden auf der ganzen Welt. Ein Jahr verging und es sei als ob uns nichts mehr aufhalten könnte: neben den Adventurebilt Hemden und den Holstern die Kim bis zum heutigen Tage für uns fertigt, konnte selbst Alden von Adventurebilt überzeugt werden und kurze Zeit später, war Adventurebilt weltweit der einzige der s.a. Boots vom Originalhersteller anbieten konnte. Indy IV kam in die Kinos, ich gab über mehrere Wochen ein Interview nach dem anderen und die Lieferzeiten wuchsen und wuchsen.
Letztes Jahr kaufte ich das Nachbarsgrundstück und neben meiner Arbeit, den Hemden, den Boots, den Buckles, den Holstern, den Hüten, den Interviews, den E-mails, der Buchhaltung, der Entwicklung und Prüfung neuer Techniken und den ohnehin schon vernachlässigten Renovierungsarbeiten am eigenen Haus, musste nun auch der Hutladen – der zum Zeitpunkt des Kaufes eher einer Ruine glich denn einem Laden für noble Herrenhüte – mit neuem Dach eingedeckt werden, neue Fenster und Türen eingebaut, neuer Estrich, Fliesen, alter Putz runter, neuer Putz drauf, isoliert, Kabel verlegt, eingerichtet und angepasst werden.
Ende letzten Jahres kam dann die erste Quittung: ich war vollkommen ausgebrannt und habe die Woche zwischen Weihnachten und Silvester nur noch apathisch auf dem Sofa gelegen und aus dem Fenster gestarrt. Gut, 2008 war Stress pur gewesen, aber es würde sich sicherlich alles bald zum besseren wenden. Ich würde schon irgendwie die horrenden Lieferzeiten in den Griff bekommen und vielleicht auch mal wieder etwas Zeit mit meiner Frau verbringen können. Vielleicht würde sich ja sogar irgendwann einmal der Zeitpunkt ergeben, wo sich die Einnahmen mit den Ausgaben nicht nur decken, sondern ich sogar ein bisschen an den Hüten verdienen könnte.
Im Oktober letzten Jahres kam dann Stefan hinzu und ich hatte nicht nur einen Gesellen an meiner Seite der sehr schnell durch hohes Engagement und handwerklichem Können überzeugte, gemeinsam konnten wir auch das Schliffbild des Filzes NOCHMALS verbessern, womit wir heute eine Oberfläche erreichen, die selbst teuerste Markenprodukte aussehen lassen wie Sandpapier. Ist damit wie ursprünglich angedacht die Lieferzeit verbessert worden? – Natürlich nicht. Stefan ist aus dem selben Holz geschnitzt wie ich und auch für ihn ist Perfektion wichtiger als ein schnelles Ergebnis.
Und dann... irgendwann einmal in diesem Frühjahr, kam der Tag an dem ein Kunde – frustriert durch die lange Lieferzeit – damit drohte die Sache seinem Anwalt zu übergeben. Ab hier fing der Keks allmählich an zu zerbröseln. Ich habe seit nunmehr fünf Jahren meine gesamte Freizeit damit verbracht Hüte zu machen und dabei dermaßen wenig eingenommen, dass ich (mal wieder) mein privates Geld investieren muss, um neue Rohkörper zu kaufen. Ich habe in den letzten fünf Jahren zunehmends meine Frau vernachlässigt, konnte Ihr jedoch nicht einmal hin und wieder eine kleine Freude machen, da meine gesamten Ersparnisse in mein Hobby flossen. Meine Lieferzeiten sind nach wie vor katastrophal und man droht mir mit Anwälten, sollte der Hut nicht bis dann und dann fertig sein.
Was mal als eine Freizeitbeschäftigung anfing hat sich zu einem mehr als fordernden Zweitjob entwickelt, der mir körperlich und seelisch viel Kraft und Energie kostet und dazu noch Geld kostet.
Ich habe in den vergangenen Jahren das Wohl meiner Kunden über das eigene und das meiner Ehe gestellt und ich glaube, dass wenn ich so weiter machen würde wie bisher, ich entweder geschieden und / oder mit Burn Out Syndrom im Krankenhaus gelandet wäre.
Ich habe mir überlegt die Bremse zu ziehen bevor dies geschieht. Um das zu erreichen, bin ich schlussendlich zu zwei Möglichkeiten gekommen:
a) Ich nehme ab sofort keine Aufträge mehr an und arbeite nur noch die bestehenden Bestellungen ab, oder
b) ich erhöhe die Preise um die Auftragsmenge der Fertigungsmenge (wir fertigen im Durchschnitt ca. einen Hut in der Woche an) anzupassen bzw. um Stefan auch mal eine Stunde länger arbeiten zu lassen.
Ich habe mich für eine Mischung aus beidem entschieden. Ich werde bis zum 01. Oktober keine Aufträge mehr annehmen, in der Hoffnung, dass wir bis dahin ein wenig an den Lieferzeiten arbeiten können. Danach werde ich den Preis auf 599 Euro zzgl. Porto für einen Indy Fedora erhöhen. Natürlich werden Stefan und ich auch weiterhin bound brim edge anbieten und dergleichen anbieten, aber da habe ich mich preislich noch nicht festgelegt.
Vielleicht kann ja so eines Tages mein Wunsch als Vollzeithutmacher zu arbeiten in Erfüllung gehen.
Viele Grüße,
Marc
Marc Kitter
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