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Betreff: Re: ein zweiter blick auf indy 4
Haue hier mal meine Rezension aus einem anderen Forum von damals rein.
Indiana Jones and the Kingdom of the Chrystal Skull, Steven Spielberg, 2009
Kommen wir zu dem Teil, der am längsten und damit sehnsüchtigsten erwartet wurde, und natürlich genau deswegen – und in Wahrheit NUR deswegen – am heftigsten kritisiert wird. Ich könnte mir nun den Spaß machen, faktisch all die fadenscheinigen und teils schlicht falschen Behauptungen, die gegen diesen Film von „Fans“ hervorgebracht werden zu widerlegen. Aber es hilft ja nicht. Möge doch jeder weiter seine Kindheits-Erinnerungen hegen und ja nicht zulassen, dass etwas „Neues“ auch nur annähernd diesen Status erreicht.
Also kurzum, natürlich ist Teil 4 allerbeste Indiana Jones Unterhaltung. Wer eine Revolution erwartet hat, wird enttäuscht – und doch wird der Film für alles (scheinbar) Neue kritisiert. Wer eine genaue Kopie der alten Filme erwartet hat (als ob sich die alten Teile nicht untereinander unterscheiden würden…), wird enttäuscht – und doch wird der Film für fehlende Kreativität kritisiert.
Nicht umsonst gibt die überragende Cate Blanchett schon zu Beginn Spielbergs Motto für diesen Film aus: „We gonna do this… the old-fashioned way!“ Aber nicht nur das, immer wieder im Film spielt der Meisterregisseur mit der übertriebenen Erwartungshaltung der Fanbasis, wie schon in der ersten Einstellung, in der klassisch vom Paramount Felsen übergeblendet wird. Die Erwartungshaltung von Million Fans weltweit lässt Spielberg einfach verpuffen, in dem er zum kleinsten und unwichtigsten Hügel blendet, den man sich vorstellen kann. Als wolle er uns sagen: „Hey, erwartet nicht zu viel, seid bescheiden!“ Schön auch die Parallele zwischen dem Erdmännchen und Indy. So sagt Dovchenko wenig später, er habe Indy „bei Buddeln im Sand“ gefunden. Wie das Erdmännchen nach dem Ausbuddeln direkt in einer gefährlichen Situation landet, so taucht auch Indiana Jones mit diesem Film nach langer Abwesenheit in einem Jahrzehnt auf, in das er so gar nicht reinzupassen scheint.
Weder der Erdmännchen-Hügel noch die folgende Autojagd sind übrigens CGI, ebenso wenig wie viele andere Szenen im Film, bei denen man es vermuten könnte. Die Autoverfolgung mit entsprechender Musik ist natürlich eine spielerische Art uns das Jahrzehnt der Handlung zu verdeutlichen, meisterhaft gefilmt von Kaminski, der in den chrompolierten Felgen der Fahrzeuge schon die Untertassen vom Ende des Films andeutet. Ein weiterer Kritikpunkt der Fans ist, dass der Film nicht „aussieht“ wie die alten Filme. Das ist so nicht richtig: Die ersten Szenen wirken anders, da ein bestimmter Effekt erzielt werden soll. Letztlich sind sie eben so gefilmt, dass sie das entsprechende Jahrzehnt widerspiegeln und die Szenen mit den FBI Agenten wirkt dann eben absichtlich befremdlich. Überhaupt ist es schön, wie all die 50er Jahre Themen hier eingearbeitet werden (FBI-Überwachung, Angst vor nuklearer Vernichtung, generelle Kommunisten-Paranoia, Alien- und Verschwörungstheorien). Im weiteren Verlauf am College, in Indys Haus und im Dschungel liefert Kaminski dann absolut Indy typische Bilder.
Die für mich beste „PTS“ der Indy Serie beinhaltet alles was eine solche Szene bieten kann:
- der Held wird würdig eingeführt (nur die berühmte Silhouette mit Hut wird gezeigt)
- der beste Bösewicht der Reihe schon zu Beginn mit tollem musikalischem Thema
- das Thema des Films wird erstmals angedeutet (Aliens) und es wird von Szene zu Szene später immer konkreter
- großartige Kulissen, tolle Stunts, tolle Action
- der blitzschnelle Wechsel von Spaß zu Spannung
- selbstironisch wird die eigene Serie mit dem kurzen Blick auf die Bundeslade zitiert
Die beste Szene des Films ist vielleicht die Szenerie im „Atom-Dorf“. Indys Verzweifelung als er die Lage erkennt ist absolut real, die Situation kommt auch für den Zuschauer so überraschend, und so verzeiht man auch die übertriebene Auflösung der Szene. Die sterile Location der Test-Umgebung ebenso wie die des folgenden FBI-Verhörs machen umso deutlicher, dass Indy (in seinen üblichen Klamotten) in diesem Jahrzehnt fehl am Platze ist (siehe Kameraarbeit in diesen Szenen)
Gleichsam zeigt die PTS aber auch schon die eine wesentliche Schwäche des Films, nämlich die zu vielen Charaktere, Folge und Opfer der vielen Drehbuchfassungen. Mac ist leider ein überflüssiger Charakter. Mit ihm, Marion, Oxley, Mutt möchte Spielberg scheinbar vehement einen „Familienfilm-Charakter“ beschwören.
Umso vertrauter ist die Szene am College, praktisch eine 1 zu 1 Kopie aus Teil 1. Ab hier fällt
dann aber auch auf, dass die komplexeste Story der Serie sehr viele expositorische Szenen verlangt, wie etwa die mit Mutt im Diner oder mit ihm in Indys Haus und später im Zelt. Doch all diese Szenen sind spannend und decken nach und nach den MacGuffin auf, bringen die Story in Gange und verraten uns auch immer etwas über die Charaktere, vor allem Mutt, der sehr gut geschrieben und gut gespielt für die tollen „Vater-Sohn-Momente“ sorgt. Schade, dass Koepp es nicht gelungen ist, die vorhandenen guten Ansätze weiterzuentwickeln um dem der Story eine gewisse Aussage oder Bedeutung abzuverlangen. Aber auch so bietet Teil 4 hier mehr als die anderen Teile.
Nächster Actionhöhepunkt ist die Verfolgung auf dem Campus, leider nicht richtig begründet aber dennoch sehr amüsant, mit vielen ordentlichen Indy-Momenten und einem herzhaften Abschluss-Gag. Danach wird wieder gerätselt, denn – auch das wird oft fälschlicherweise kritisiert – Rätsel gibt es hier genug.
Die Friedhofs-Szene mag ich trotz oder auch wegen ihres Studio-Charmes. Die Action ist ebenfalls gut und spätestens hier wissen wir, dass Indy noch ganz der alte ist („You are a teacher?“ – „Part-time!“). Jetzt sind wir drin im Abenteuer und Indy ist in seinem Element. In vielen Actionszenen halte ich den Film für ernster als Teil 3, der noch stärker den Spaß in den Vordergrund stellt. Teil 4 ist somit thematisch, stilistisch und aufgrund der Charakter-Konstellationen eine Mischung aus Teil 1 und 3.
Nachdem Indy gefangen genommen wurde, folgt die Szene im Zeltcamp, die für meinen Geschmack zu lang ist aber wiederum auch sehr spannend. Der Schädel entfaltet seine Macht, die passenderweise wundervoll zu Spalkos Feature passt. Wir werden weiter an das Alien-Thema herangeführt und Indy nimmt schon hier das Ende Spalkos Vorweg: „Careful, you might get exactly what you wish for!“
Was mit der Sandkuhle und der Fahrt im Heck des LKW folgt sind allerbeste Comedy-Momente im Stil von Teil 3 zwischen Vater, Mutter und Sohn, die aber aus dem Nichts wieder blitzschnell in Action umschwenken, denn der ach so passive Indiana Jones – ein weiterer falscher Vorwurf! – lässt sich nämlich in diesem Teil nie lange Gefangen nehmen.
Nun, es kommt zur aufwendig durchgeplanten Dschungelverfolgung, für mich ein Highlight der ganzen Serie. Hier ist Action, echte Stuntarbeit (ja, auch hier wieder der falsche Vorwurf, es handele sich um eine CGI Sequenz), Musik, Humor und Handlung perfekt miteinander verbunden. Da bleiben auch immer wieder Momente, wo der „junge Vater“ stolze Blicke in Richtung seines Sohns schickt. Die Art und Weise wie Spielberg solche Actionszenen choreographiert und damit aberwitzige Wendungen möglich macht, ist wieder einmal einmalig. So gut das auch alles ist, für mich ist der anschließende Umschwung von schneller Action zur gruseligen Ameisenszene noch besser. Ja, hier handelt es sich dann in der Tat um CGI aber was soll’s? Ist das ein Frevel? Ich finde, die Szene ist glaubhaft und verursacht bei mir regelmäßig Unbehagen. Warum aus einem falsch verstanden Nostalgie-Bedürfnis schlechtere Tricks verwenden? Der Kampf gegen Dovchenko ist klassisch für die Serie und sein Ende ist zusammen mit der Szene beim Start des Raketenschlittens (alle Verfolger werden „geröstet“) als sehr brutale Szene ebenfalls in der Tradition der Serie.
Nach ca.100 Minuten bester Unterhaltung kommen wir nun an den Punkt, wo erstmals ein unnötiger CGI Effekt gezeigt wird. Ich halte den Sprung mit dem PKW in den Baum und die anschließenden Wasserfälle für absolut überflüssig. Schade! Die folgenden Szenen im Finale stellen aber dann wieder das tolle production design in den Vordergrund (ja, auch der gesamte Obelisk ist real und ohne CGI). Das Ende des Films in der Schatzkammer bleibt zwar aufgrund winziger Fehler hinter dem Potenzial zurück, was die Story hier geboten hätte aber es ist dennoch eine logische Konsequenz aus dem bis dato Aufgebauten und der Tradition der Serie. Spalko bekommt was sie wollte. Ihre Gier nach Wissen wird gestillt, nur kann sie es nicht ertragen. Letztlich wird sie mit ihrer eigenen Waffe, der Macht über Gedanken, geschlagen. Indy hatte es voraus gesehen.
Man hätte das Alienwesen nicht zeigen müssen, man hätte die Untertasse nicht zeigen dürfen. Hier wäre der Mut zur Auslassung viel raffinierter oder spannender gewesen. Sei es drum. Das kann 2 Stunden tolle Unterhaltung nicht vergessen machen.
Indy hat wie schon in Teil 3 am Ende zur Familie gefunden, er heiratet Marion und in der letzten Einstellung zeigt er noch schnell, dass der Hut noch lange nicht übergeben wird!
Klar, Teil 4 ist keine Offenbarung an innovativer Action, hier wird nicht das Abenteuer-Genre revolutioniert. Zwangsläufig erscheint Teil 4 wie eine Variante der eigentlichen Indy-Kopien à la „Die Mumie“ aber kann man dem Franchise vorwerfen, dass es kopiert wurde? Alles in allem erreicht dieses Sequel nicht die Perfektion des Vorgängers und nicht das bahnbrechende Moment des Originals. Aber kann man Michael Jackson vorwerfen, dass kein Album so revolutionär und perfekt war wie sein Thriller?
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