Dt. Indiana Jones Fan Forum



#521 28.02.2017, 21:17
mola-ram Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
"Lautlos" von Frank Schätzing Zwinkernder Smiley

switch Spoiler:


must have für Kölner Grinsender Smiley
 

#522 12.03.2017, 11:29
Aldridge Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Ich pack´s mal hier rein...

Robert Harris zum 25. Jubiläum seines Romans Vaterland: https://www.welt.de/...l-aus.html

Auch wenn er geflissentlich verschweigt, dass schon vor ihm mehrere Leute auf die Idee gekommen sind - allen voran Dick mit Man in the High Castle - so ist das doch ganz interessant zu lesen und sind die hergestellten Parallelen zur heutigen Gesellschaft auch nicht ganz von der Hand zu weisen.

Da wir mehrere aktive Autoren im Forum haben, fand ich die Beschreibung der Autorentätigkeit, also des fiktiven Schreibens, ganz nett:

Zitat:
[...]Ich schrieb die ersten paar Seiten an einem Samstagnachmittag im Jahr 1989 in einem Zustand verzückter Benommenheit, der von der Erkenntnis genährt wurde, dass ich mir buchstäblich alles ausdenken und zu Papier bringen konnte – dass während eines Unwetters eine einbeinige Leiche an einem Seeufer angeschwemmt würde oder dass eine Marschkapelle quer über einen Platz defilierte, während mein misstrauischer Held das durch die regennassen Autoscheiben beobachtete. Es war mir, als wäre ein bislang völlig brachliegender Teil meines Verstandes zum ersten Mal angeschaltet worden.

Aufgeregt hieb ich ein paar Wochen lang in die Tasten, bis ich auf einmal zu einem Stillstand gelangte. Ich hatte da eine Gruppe Figuren in einen Raum gestellt, aber absolut keine Ahnung, was sie da sollten. Sie offenbar auch nicht. Sie saßen einfach nur stumm herum, von keiner ging auch nur der leiseste Anflug von Inspiration aus, und alle schienen auf meine Anweisung zu warten, wie es jetzt weitergehe. Ich war verwirrt: Sollten Figuren nicht „ein Eigenleben entwickeln“?

Geschlagen legte ich das Buch für mehr als ein Jahr beiseite. In jenem November fiel die Berliner Mauer. Seltsamerweise betrachtete ich das als den letzten Gnadenstoß für meinen aufgegebenen Roman. Wen würde es schon groß interessieren, von einem fiktionalen vereinten Deutschland zu lesen, dachte ich bedrückt, wenn man einfach nur den Fernseher anmachen musste und sich das echte ansehen konnte?

Im Nachhinein erkenne ich darin natürlich den klassischen Fall von schrecklichem, irrationalem Pessimismus, der die meisten Schriftsteller an irgendeinem Punkt heimsucht. Wenn es nämlich einen Faktor gab, der meinem Hirngespinst eines vereinten Deutschlands plötzlich die nötige Schärfe verlieh, dann waren es die Nachrichten, dass genau ein derartiges Gebilde wie aus heiterem Himmel inmitten Europas wiederkehrte.

Anfang 1991 nahm ich die Arbeit an „Vaterland“ wieder auf, zunächst ohne viel Leidenschaft. Soweit es mich betraf, wollte ich nur einen letzten Versuch wagen. Aber dann tat ich schließlich das, was ich schon von Anbeginn an hätte tun sollen: Ich stellte mir die Romanhandlung möglichst bis zum Ende vor.

Ein Roman war schließlich nichts anderes, begriff ich endlich, als die Nacherzählung von etwas, was bereits passiert ist – und nicht ein freies Spiel von Folgen, die man im weiteren Verlauf nach Belieben erfand. (Selbstverständlich kann man einen Roman auch improvisieren, wie man auch aus dem Stegreif einen Witz zu erzählen anfangen kann, ohne sich im Voraus die Pointe ausgedacht zu haben, aber das ist ein riskantes Unterfangen ohne große Aussicht, das Publikum zu fesseln.)[...]

 

#523 13.03.2017, 08:05
Plissken Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Zitat von Aldridge:
Ich pack´s mal hier rein...
Aber Improvisieren macht doch so viel Spaß Grinsender Smiley

Nette Anekdote und interessant zu sehen, dass auch große Autoren so ihre Probleme beim Arbeiten haben.
Bislang hatte ich auch immer gedacht, Vaterland wäre in den 80ern erschienen. Keine Ahnung warum, aber der Artikel hat mich ja nun aufgeklärt
 

#524 13.03.2017, 09:45
Aldridge Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Interessant fand ich ja die Aussage, dass er als Journalist nie das Bedürfnis verspürt hatte, unbedingt einen Roman schreiben zu müssen.

Was wohl unsere geschätzten Autoren im Forum dazu sagen würden?

Die Verfilmung mit Rutger Hauer und Miranda Richardson bekommt übrigens demnächst endlich eine deutsche Veröffentlichung spendiert - auf DVD... Unschuldiger Smiley

Heute Morgen am Bahnhof dann auch noch von Terry Pratchett (RIP) Toller Dampf voraus mitgenommen.
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, das letzte Mal am 13.03.2017, 10:02 von Aldridge.  

#525 07.04.2017, 14:49
Kukulcan Anwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Zitat von Mile:
Das habe ich hier auch noch auf meinem Stapel liegen, genau wie den zweiten Teil (Heiß) Mal sehen, ob ich demnächst mal Zeit finde, die zu lesen.

Ich habe jetzt alle 3 Bücher durch und leider stellte sich nicht die erhoffte Steigerung ein.

In Buch 2 wird viel versprochen (Schätze von Geld, Macht und Wissen), am Ende des Buches wird dann einfach vergessen, darauf einzugehen. Da werden (als nette historische Einlagen) kleine Geschichten erzählt, die dann später noch einen Nebensatz wert sind. Die Bücher 2 und 3 sind (noch mehr) überkonstruiert (meinst um den Helden in ungewöhnlichen Fluggeräten herumfliegen zu lassen), bei Teil 3 war das teilweise schon an der Schmerzgrenze.

Wären die Bücher nicht locker geschrieben mit interessanten, aber nicht unübersichtlichen, Wechseln zwischen mehreren Strängen, dann hätte ich nach Teil 2 aufgehört.

Achja, Erwähnungen von Algha Brille, Webley Revolver und sogar Indiana Jones deuten auf einen Indy Fan hin, im dritten Buch ging es dann auch um ein Tagebuch mit Rätseln.
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, das letzte Mal am 07.04.2017, 14:51 von Kukulcan.  

#526 16.05.2017, 09:44
Survivor Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Im Moment lese ich von Sebastian Fitzek "Das Paket".
Echt fesselnd. Er schreibt unglaublich gut und vor allem so bildhaft.
"Schlangen...warum ausgerechnet müssen es Schlangen sein?" Erstaunter Smiley
 

#527 16.05.2017, 16:42
Mile Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Ich lese gerade die David Spandau Trilogie von Daniel Depp (Johnny Bruder). Wirklich sehr gut, wenngleich ich sagen muss, er baut von Buch zu Buch ein wenig ab.

Teil 1: Stadt der Verlierer (Beendet/ 4,5 Sterne)
Teil 2: Nächte in Babylon (Beendet/ 4 Sterne)
Teil 3: Tanz mit dem Teufel (erst zur Hälfte durch)

Mit Fitzek hatte ich ja das Vergnügen auf der Leipziger Buchmesse. Ganz unglaublich lockerer Typ, dessen Arbeitstag wohl 40 Stunden hat. Zwinkernder Smiley
André
 

#528 09.06.2017, 10:17
Aldridge Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Zitat von Aldridge:
Die Verfilmung mit Rutger Hauer und Miranda Richardson bekommt übrigens demnächst endlich eine deutsche Veröffentlichung spendiert - auf DVD... Unschuldiger Smiley

So am Rande: Die DVD ist bei Amazon nicht mehr verfügbar und auch in anderen Shops vergriffen. Da scheint die Limitierung von 2.000 Stück tatsächlich gestimmt zu haben. Dass ich das noch erleben darf... Grinsender Smiley
 

#529 09.06.2017, 11:18
Kaindee Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Ich habe gestern mit "Die Schatzinsel" angefangen ... ein Klassiker der Literatur ... kenn ich nämlich noch nicht ... mal schauen,
die ersten Seiten sind schon mal sehr spannend ... Kinderbuch ?!
Achtung, dieser Post kann Spuren von Abenteuer enthalten!
 

#530 09.06.2017, 17:43
Mile Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Die gekürzte oder ungekürzte Fassung? "Die Schatzinsel" ist einfach ein tolles Buch, beinahe zeitlos. Ich mag die Story einfach. Als "Kinderbuch" würde ich es auf jeden Fall nicht bezeichnen. Dir noch viel Spaß beim Lesen … (jo, ho, ho und 'n Buddel voll Rum!)
André
 

#531 09.06.2017, 20:31
Kaindee Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Die Version hier: https://www.amazon.de/...TF8&psc=1
Achtung, dieser Post kann Spuren von Abenteuer enthalten!
 

#532 09.06.2017, 21:02
Aldridge Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Zitat von Mile:
Als "Kinderbuch" würde ich es auf jeden Fall nicht bezeichnen.

Zitat von Amazon-Rezension von N.:
Ideal für einen Zweitklässler

Ich bin sehr froh, dass ich diese Serie von Bücherbär gefunden habe.
"Die Schatzinsel" ist das erste Buch aus der Klassiker-Serie, das wir zur Probe gekauft haben. Mein Sohn geht in die 2. Klasse und liest nicht besonders gerne, aber dieses Buch hat ihn fasziniert. Die Sprache ist einfach, trotzdem bleibt die Geschichte sehr spannend. Layout, Schriftgröße und Schriftart sind bestens an die Erstleser angepasst. Illustrationen tragen ebenso dem positiven Eindruck bei.
Ich werde auch weitere Bücher der Serie bestellen, denn "die Schatzinsel" wurde bei uns sehr schnell "verspeist".

Lachender Smiley
 

#533 09.06.2017, 22:26
Mile Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
@Aldridge Ja, das ist das Los der gemeinfreien Literatur. Die "Bücherbär" Ausgaben sind natürlich noch einmal stark vereinfacht und von daher wirklich Kindgerecht aufbereitet. Gerade bei der Schatzinsel ist es sehr wichtig, eine wirklich gute Übersetzung zu finden und zu lesen. Oder gleich im Original lesen. Zwinkernder Smiley
André
 

#534 09.06.2017, 22:29
Aldridge Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Alles gut. Fand´s nur lustig, den Link zu klicken, und da fällt sofort diese erste Rezi ins Auge...
 

#535 09.06.2017, 23:54
Pascal Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Zitat von Kaindee:
Ich habe gestern mit "Die Schatzinsel" angefangen ... ein Klassiker der Literatur ... kenn ich nämlich noch nicht ... mal schauen,
die ersten Seiten sind schon mal sehr spannend ... Kinderbuch ?!

Ich war letzte Woche zufällig in einem Robert Louis Stevenson-Museum. Das war ja echt ein wilder Kerl. Ich denke, Ihr hättet Euch gut verstanden.

Hier leider nur ein Bild durch ein Fenster nach draussen. Die Ausstellungsstücke habe ich mich niicht getraut zu fotografieren.

Miniaturansichten angehängter Bilder:
_DSF7534_768.JPG
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Bildgröße: 1152 x 768 Pixel


Laird Dr. Pascal Ivanović Kurosawa is one of the most over-rated moderators in this forum.
aktuell page of diary in work: sign.10,page11 (No. 155 of 288)
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, das letzte Mal am 09.06.2017, 23:55 von Pascal.  

#536 10.06.2017, 13:50
Jens Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Da sei an dieser Stelle unbedingt gleich auch noch Alex Capus' "Reisen im Licht der Sterne" empfohlen, dass Stevensons Biographie nsbesondere mit Fokus auf die "Schatzinsel" aufarbeitet und einige interessante Hintergründe aufarbeitet, die mich sein Werk mit anderen Augen haben sehen lassen: Warum läßt der gute lungenkranke Mann sich ausgerechnet im feuchten Klima der Tropen nieder, kauft ein Stück Land im Nirgendwo, und gelangt dort zu beachtlichem Vermögen? Zwinkernder Smiley

https://www.perlentaucher.de/...terne.html
 

#537 05.11.2017, 22:50
Aldridge Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Kleines Plädoyer von SPON für die Science-Fiction. Fand ich nett, aber schade, dass das überhaupt notwendig ist:

Zitat:
Gesellschaft der Zukunft
Lesen Sie Science-Fiction!
Science-Fiction hat einen miesen Ruf. Sie gilt als minderwertig, als Literatur für Eskapisten. Doch die wahren Eskapisten sind diejenigen, die sich vor dem Gedanken an die Zukunft drücken.

"Es trifft schon zu, dass die Science-Fiction-Werke, so erfolgreich sie auch sind, in der Literaturkritik nur ein dürftiges Echo finden. Natürlich ist das kein Zufall. Der wichtigste Grund mag sein, dass die unzweifelhaften Vorzüge dieser Prosa mit Kunst nichts zu tun haben." - Marcel Reich-Ranicki, 2007

Science-Fiction hat keinen guten Ruf, im Allgemeinen nicht, und unter Literaturkritikern erst recht nicht. Im oben zitierten Dialog mit "FAZ"-Lesern erklärte Marcel Reich-Ranicki auch noch, dass er "in seiner frühen Jugend" mal Jules Verne gelesen habe, später dann ein bisschen was von Stanislaw Lem, aber auch von dem nur die frühen Werke. Obwohl Lem ein "höchst gebildeter und intelligenter Mensch" gewesen sei "und überdies liebenswürdig und sehr sympathisch".

Die Reich-Ranicki eigene, posthum schon fast liebenswert wirkende Arroganz lässt sehr klar hervortreten, was andere aus der Branche wohl vorsichtiger formulieren würden: eine tiefe Verachtung gegenüber jener Literatur, die sich nicht mit der Gegenwart oder der Vergangenheit befasst, sondern mit der Zukunft. Ich persönlich fand diese Verachtung schon immer falsch. Heute halte ich sie für fahrlässig.

In den Literaturkanons, die über die Jahre für verpflichtend erklärt wurden, kommt Science-Fiction selten bis gar nicht vor. Nicht einmal George Orwell oder Aldous Huxley gehören zum Pflichtprogramm des gebildeten Menschen, glaubt man Kritikern und Literaturwissenschaftlern, die solche Listen erstellen.

Das Nachdenken von Gesellschaften über sich selbst

Vielen Literaturbegeisterten ist schon die Frage, wozu Literatur eigentlich genau dient, ein Affront. Nur sich selbst, ist die einfachste Antwort, oder der Suche des Menschen nach sich selbst, nach Sinn, Verständnis für das Menschsein und so weiter. Aber diente gute Literatur nicht auch schon immer dem Nachdenken von Gesellschaften über sich selbst? Ist der "Zauberberg" nicht auch ein sehr langer Essay über die Dialektik von Tradition und Moderne, Wissen und Gefühl? Ist der "Mann ohne Eigenschaften" nicht ein sehr langer Gedankengang über die damals moderne Gesellschaft, die darin auszufüllenden Rollen, das wissenschaftliche Menschenbild?

Die Arroganz der Literaturkritik gegenüber der Zukunftsliteratur war so lange akzeptabel, vielleicht sogar verständlich, wie Jules Verne und seine Abenteuergeschichten das Einzige waren, was das Genre zu bieten hatte. Aber schon mit Orwell, Huxley, Lem, Philipp K. Dick und anderen hätte man da vielleicht umdenken sollen. Auch wenn es damals vielleicht noch nicht so dringlich schien.

Stifter oder Orwell?

Meiner Wahrnehmung nach ist "1984" für das Nachdenken der Menschheit über sich selbst weit wichtiger als das Gesamtwerk von Adalbert Stifter oder das von Robert Walser. Die Letzteren aber sind selbstverständlich kanonisiert, das Erstere nicht. Der Science-Fiction-Autor Neal Stephenson hat mir einmal in einem Interview gesagt, klassische Literatur handle von Menschen, Science-Fiction aber von Ideen. Ich glaube, er hatte recht.

Und damit wären wir bei der Gegenwart. Man könnte ja meinen, dass Ideenliteratur in einer Zeit der exponentiellen Veränderung schlecht altert. Für manche Sci-Fi-Romane mag das zutreffen, für die besten aber nicht. William Gibsons "Neuromancer"-Trilogie ist heute noch ebenso visionär und lesenswert wie damals in den Achtzigern. Im Übrigen auch sprachlich grandios, auch wenn das Marcel Reich-Ranicki vermutlich anders sehen würde.

Warum Science-Fiction heute wichtig ist

Science-Fiction ist heute, anders als zu Jules Vernes Zeiten, so wichtig, weil alles so schnell geht. Die Menschheit verändert ihre eigene Lebenswelt in so atemberaubendem Tempo, dass die Visionen von gestern sehr schnell zur Gegenwart von heute werden können. Wenn unsere Gesellschaften aber darüber nachdenken sollen, in welche Welt all die rasante Entwicklung führen wird und sollte - ob in Sachen Künstliche Intelligenz, in Sachen Gentechnik, in der Robotik oder angesichts der Folgen des Klimawandels -, dann wird ihnen der Blick zurück und nach innen dabei nicht helfen. Sie werden sich zum Nachdenken auf Autoren beziehen müssen, die sich das Nachdenken über Morgen und Übermorgen zum Beruf gemacht haben.

Früher galt das Lesen von Science-Fiction als eskapistisch. Heute ist es Eskapismus, keine Science-Fiction zu lesen.

Paolo Bacigalupis "Wind-up Girl", das auf Deutsch den dämlichen Titel "Biokrieg" bekommen hat, wird dem Leser ein tieferes emotionales Verständnis davon vermitteln, was der Menschheit angesichts des Klimawandelns drohen könnte, als alle IPCC-Berichte und Konferenzen zusammen. Neal Stephensons "Diamond Age", in dem eine in Miniaturstaaten aufgeteilte Welt mit 3D-Druckern in jedem Haushalt und lernende digitale Lehrbücher die Hauptrollen spielen, ist 22 Jahre nach seinem Erscheinen immer noch eine Zukunftsvision, über die es sich nachzudenken lohnt. Und die Space Opera von Iain M. Banks' "Culture"-Serie, in der wohlmeinende künstliche Intelligenzen (KI) einer entrückten Menschheit ein Leben im Paradies ermöglichen, sollte jeder kennen, der die KI-Debatte der Gegenwart und ihre Antreiber verstehen will. Sowohl Mark Zuckerberg als auch Tesla-Chef Elon Musk sind Fans.

In einem langen Gespräch, das ich mit Jürgen Schmidhuber führen durfte, einem der Pioniere der neuronalen Netze, die jetzt die KI revolutionieren, kamen wir überraschend schnell auf das Thema Science-Fiction. Es stellte sich heraus, dass Schmidhuber alles gelesen hatte, was ich so kannte, und noch viel mehr.

Natürlich sind Informatiker und Tech-Unternehmer keine überlegenen Ratgeber in Sachen Lesestoff. Aber es könnte möglicherweise doch eine Rolle spielen für die Zukunft der Menschheit, welche Bücher diejenigen lesen, die diese Zukunft gerade gestalten.

Auch wenn Marcel Reich-Ranicki das wohl wütend zurückweisen würde: In einer Zeit, in der sich die Zukunft schneller in Gegenwart verwandelt als je zuvor, lohnt es mehr denn je, auch über das Morgen nachzudenken. Nicht nur über das Gestern.

Quelle: http://www.spiegel.de/...76316.html
 

#538 05.06.2018, 12:46
norik Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Momentan lese ich:„ Roosevelts scheinheiliger Krieg „ von Benjamin Colby
ein sehr interessantes Buch
Liebe fängt dort an,wo keine Gegenleistungen mehr erwartet werden!
 

#539 30.01.2019, 10:06
Hermi Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Ich lese Totenfang von Simon Beckett. Entpuppt sich immer mehr zu einem Lieblingsautor. Die Hunter Reihe ist schon cool.
 

#540 27.10.2020, 19:48
Mile Abwesend
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Betreff: Re: Was lest ihr zur Zeit?
Ich wollte nicht extra einen neuen Thread dafür aufmachen, daher hier:

Bald ist Halloween: Deswegen gibt es meine Kurzgeschichte "Der Getreidewolf" aus der frisch mit dem Skoutz-Award 2020 ausgezeichneten Anthologie Erntenacht jetzt Gratis zum Download. (als ePub & Mobi, WeTransfer-Link ist eine Woche gültig)

https://we.tl/t-xBfselNHZI


André
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, das letzte Mal am 27.10.2020, 19:48 von Mile.  

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