Bembelmonster
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Betreff: Re: Young Indiana Jones TV Serie / VHS Cassetten
Welt online, 11.6.2008
Zitat:Perlen der Fernsehunterhaltung
Die vergessenen Abenteuer des jungen Indy
Gerade besteht "Indiana Jones" als alter Kerl in den Kinos ein weiteres Abenteuer. Nicht bei allen Fans kommt der Greis mit der Peitsche gut an. Wer sich an die spannenderen Tage des Draufgängers erinnern will, sollte daher die "Abenteuer des jungen Indiana Jones" kennen – eine TV-Serie mit Tiefgang.
Foto: picture-alliance / obsIn die "Abenteuer des jungen Indiana Jones" lernt der Zuschauer einen jungen Indy kennen, der ist intelligent, charmant und draufgängerisch ist
Manchmal vermisse ich Indiana Jones. Nein, nicht den aus den Filmen. Nicht den, der gerade nach 19 Jahren Pause endlich wieder in den Kinos ist und einem Kristallschädel hinterher jagt. Ich rede vom jungen Indy. Von den „Abenteuern des jungen Indiana Jones“, einer Serie, die Sat.1 Mitte der Neunziger zeigte – und die seitdem in Vergessenheit geraten ist.
Das verstehe ich nicht. Der junge Indy ist eigentlich interessanter als der aus dem Kino. Nicht besser, nicht unterhaltsamer, das wollte man auch nicht erreichen, obwohl es auch zwei klamaukige Folgen gibt. Die Indy-Serie ist ernster, vielschichtiger – aber eben auch unterhaltsam. Der Zuschauer lernt einen jungen Mann kennen, der so ist: intelligent, charmant, draufgängerisch.
Indy ist 16, da gerät er in die mexikanische Revolution, schließt sich ihr an, lernt deren Führer Pancho Villa kennen –, was netterweise sogar im aktuellen Film erwähnt wird. Das ist der Anfang eines über drei Jahre dauernden Wandererlebens. Es geht über Dublin nach London, wo er sich freiwillig bei der belgischen Armee meldet. Im Ersten Weltkrieg ist er als Soldat an der Somme, in Verdun und im Kongo. Und als Spion an so fantastischen Orten wie Prag, Barcelona, Istanbul, Wien und St. Petersburg.
Die Indy-Serie ist eine Art Bildungsroman
Was für ein Abenteuer für einen jungen Mann! Und: Er lernt nicht nur viele Länder und Städte kennen, sondern auch berühmte Persönlichkeiten. Ernest Hemingway in Italien. Albert Schweitzer im Kongo. Picasso in Barcelona. Franz Kafka in Prag. Charles de Gaulle in einem Gefängnis für Ausbrecherkönige in Ingolstadt. Und viele mehr. Weil er aufgeschlossen ist, unkompliziert, kosmopolitisch und charmant. Und auch ein bisschen cool. Natürlich ist das alles erfunden, aber immer noch realistischer als die Indy-Filme, in denen die Bundeslade Feuer spuckt und neuerdings sogar Außerirdische auftauchen.
Die Indy-Serie ist eine Art Bildungsroman. Ein junger Mann zieht aus und lernt die Welt kennen. Sie ist schwierig, aber auch wunderbar. Und er lernt die Menschen kennen. Sie enttäuschen, aber er enttäuscht auch sie. Diese Erkenntnisse sind so alt wie die Welt. Trotzdem ist es schön, das alles in dieser liebevoll gemachten Serie zu sehen. Und vielleicht sogar lehrreich für junge Menschen, die das alles noch nicht erfahren haben.
Gespielt wurde der junge Indy von Sean Partick Flanery. Und zwar ziemlich gut. Flanery ist vielleicht etwas zu hübsch, nicht so raubeinig wie Harrison Ford. Doch das ist nicht schlimm, passt sogar: Indy wurde, wie so viele Menschen, mit den Jahren eben härter, kompromissloser, zynischer. Und auch egoistischer.
Der junge Indy trägt noch nicht die Lederjacke. Er bevorzugt einen langen Mantel, das wirkte kleidsamer auf dem Alten Kontinent. Die Peitsche ist auch noch nicht da, sie kommt nur einmal vor. Aber er hat schon den Fedora-Filzhut auf dem Kopf. Ich kannte natürlich die Filme, und als ich zum ersten Mal den jungen Indy sah, genügte der Hut, damit ich ihm vertraute. Aber das ging wohl nicht allen so.
Ein gescheitertes Experiment
Die Indy-Serie war ein Experiment. George Lucas, der Erfinder von „Star Wars“, konzipierte sie als eine Art Geschichtsunterricht im Fernsehen. Er wollte der amerikanischen und westeuropäischen Jugend etwas über den Ersten Weltkrieg beibringen – oder zumindest Interesse für Geschichte wecken. Und es wurde eine opulente Serie, oft wurde sie an Originalschauplätzen gedreht, die Kostüme wirken echt, und die wenigen Actionszenen sind wirklich gut. Doch Lucas fiel damit auf die Nase. Die „Abenteuer des jungen Indiana Jones“ wurde nie populär, die Einschaltquoten waren schlecht. Das war ein Problem, schließlich war es die bis dato teuerste Serie überhaupt. Viele geplante Folgen wurden nie gedreht. Am Anfang habe ich ein bisschen geflunkert: Ich vermisse die Serie nicht wirklich. Ich habe sie noch auf Video. Damals war ich 15 Jahre, und ich nahm 27 Folgen auf, Sat 1 zeigte damals 30. Ich schaue sie bis heute, unregelmäßig, aber mit Leidenschaft. Aber gelogen habe ich nicht: Ich vermisse die Serie im deutschen Fernsehen. Ich glaube, dass diese Serie wichtig sein könnte für junge Menschen. Menschen, die gerade in der Pubertät stecken. Menschen, die noch nicht wissen, wie Prag oder Barcelona aussehen. Die noch nicht wissen, dass 1916 in Verdun ein brutaler Krieg im Schützengraben stattfand. Dass 1917 die Oktoberrevolution in Russland war. Wahrscheinlich hätte ich auch ohne den jungen Indy Politikwissenschaft und Geschichte studiert – aber durch ihn habe ich begonnen, im Geschichtsunterricht aufzupassen. Vielleicht vermittelt die Serie aber auch eine Idee von der Eigenständigkeit und der Freiheit, die auf das Leben in der Familie folgen werden. Ich denke, bei mir war es so.
Perlen der Fernsehunterhaltung Indiana Jones Indy Harrison Ford George Lucas Serie Sat.1 Die Serie fehlt mir, weil sie das Gegenteil von Unterschichtenfernsehen ist. Es ist grausig: Im deutschen Fernsehen wird der monströseste Quark wiederholt. Da laufen „Roseanne“ oder „Eine schrecklich nette Familie“. Natürlich ist es auch gut und entspannend, sich Dämliches oder Witziges anzusehen. Aber eben nicht nur. Und so ist es peinlich, dass eine Serie mit Tiefgang und Esprit im Archiv verstaubt. Ich würde mich sehr freuen, wenn ein Sender endlich die „Abenteuer des jungen Indiana Jones“ aus der Mottenkiste holen würde.
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