Komplettes Thema anzeigen 27.11.2009, 12:13
5IC Abwesend
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Betreff: Re: Roman/Hörbuch (Der Rauchende Spiegel)
Folgender Text soll später auch außerhalb des Forums erscheinen, also wundert euch nicht das ich so distanziert über das Forum schreibe. Zwinkernder Smiley

„Making Of“

Ich bin kein Autor. Ich habe in meiner Kindheit hin und wieder den unschuldigen und unbedarften Versuch unternommen, eine Geschichte, die mir halbgar und nebulös im Kopf herumwaberte, zu Papier zu bringen, doch verließen mich stets schon nach kurzer Zeit Motivation und Muse. Außerdem waren meine schulischen Leistungen im Fach Deutsch nie sonderlich bemerkenswert und ich bin seit jeher schrecklich unbelesen. Generell bin ich jemand, der so gut wie nie zu Ende bringt, was er anfängt. Und so war ich nach anfänglicher Euphorie doch skeptisch, als mich Ende Februar 2009 die fixe Idee überkam, einen handfesten Indiana Jones Roman zu schreiben. Ich hatte Zweifel, ob ich den Atem dazu hätte, die Ideen und vor allem das Talent. Auch wenn meine Lehrer nie Grund hatten über meine Leistungen zu jubeln, sagten sie mir doch nach, dass ich mich ausdrücken könne und eine sehr visuelle Ader besäße. Dies im Hinterkopf, wagte ich mich also an mein Vorhaben.
Doch wie fing es an? Lesen ist nicht meins. Ich mag Geschichten, ich mag Spannung, ich mag das Unerwartete, aber spielt sich all dies auf Papier ab, bleibt selbst der spannendste Roman bei mir über kurz oder lang halbgelesen auf dem Nachttisch liegen. Durch meine Mutter, die vor einigen Jahren Kundin bei einem großen Hörbuch-Anbieter wurde, kam ich dann zu eben diesem Medium und hatte es schnell für mich entdeckt. Regelmäßig genieße ich seitdem Hörbücher, meist beim beruflichen Pendeln, wenn einem Geschnatter, Gekicher, Gehuste und Klingeltöne im öffentlichen Nahverkehr sonst den letzten Nerv rauben. Als ich nach den Dan Brown Bestsellern „Illuminati“ und „Sakrileg“ mit James Rollins‘ „Feuermönche“ das dritte Hörbuch mit Wolfgang Pampel – der deutschen Stimme von Harrison Ford – hörte, kam in mir das Verlangen nach einem Indiana Jones-Hörbuch auf; gelesen von Indy persönlich (zumindest für deutsche Ohren).

Bei meinem Gedankenspiel ging ich nun die offiziellen Romane über den wagemutigen Archäologen von Rob MacGregor, Wolfgang Hohlbein & Co. durch. Welcher würde sich – rein hypothetisch – am besten für ein Hörbuch eignen? Doch schnell kam ich zu einer Erkenntnis, die mich bezüglich der offiziellen Romane häufig überkam: Das ist nicht Indiana Jones! Sicherlich, in den Geschichten gab es einen wagemutigen Archäologen mit Hut und Peitsche, der Abenteuer bestand und verborgene Schätze suchte, aber war das wirklich der Mann den alle Welt von der Kino-Leinwand kannte und liebte? Meine Antwort war ‚Nein‘. Es handelte sich in meinen Augen bei den Büchern um x-beliebige Abenteuer-Romane mit einem austauschbaren Helden. Spannend und gut geschrieben, aber eben meist ohne das gewisse Indiana Jones-Feeling. Das Tempo und die Erzählweise waren einfach falsch und hielten sich nicht an die filmischen Vorlagen. Die Geschichten wurden so geschildert, ausstaffiert und aufgebaut, wie man sie nie als Indiana Jones Film umsetzen würde, könnte oder wollte. Zumindest nicht, ohne dass das Ergebnis kaum mehr etwas mit dem Duktus von „Jäger des verlorenen Schatzes“, „Tempel des Todes“, des „Letzten Kreuzzugs“ oder selbst dem umstrittenen „Königreich des Kristallschädels“ gemein hätte. Mir wurde klar, dass, wenn ich eine Indiana Jones-Geschichte hören wollte, die den Namen auch verdiente, ich das selber in die Hand nehmen müsste.

Als langjähriger Indiana Jones-Fan, der sich im Internet zwischen etlichen Fachleuten rund um Doktor Jones tummelte, traute ich mir zu, die Indiana Jones-Atmosphäre, nebst Indiana Jones-Fachwissen, in einem selbstverfassten Roman festnageln zu können. Ob es sprachlich jedoch reichen würde, konnte ich nicht sagen. Kann ich auch jetzt noch nicht. Das muss der Leser/Hörer entscheiden. Ich habe nie den Anspruch an mich gestellt, einen sprachlich ausgefeilten und sonderlich intellektuellen Roman zu verfassen oder das ‚Indy-Rad‘ neu zu erfinden, sondern ich wollte nur das in schriftliche Form bringen, was schon die Indiana Jones-Filme in meinen Augen waren: Pulp. Kitsch. Übertreibung. Witz. Dreckigkeit. Ohne langes ‚Bla-bla‘. Ohne 10-seitige Erklärungen über den Hintergrund eines Charakters oder seines Gemütszustandes. Ohne komplexe, 5-spurige Handlungsstränge. Dafür mit Action bei der man förmlich die klatschenden Faustschläge und Soundeffekte von Ben Burtt hört, Szenen, in denen man unweigerlich John Williams‘ „Raiders March“ summt und Situationen, in denen man anhand kleiner Feinheiten im Text niemand geringeren als einen verschrammten und staubigen Harrison Ford vor Augen hat. Kopfkino.

Ich dachte, wenn ich es schaffen könnte, einen tollen Roman zu verfassen, dann auch noch aus eigener Tasche eine Hörbuch-Fassung mit Wolfgang Pampel als Sprecher produzieren zu lassen und es zum kostenlosen Download anzubieten, wäre das für den deutschsprachigen Indiana Jones-Fandom wie Ostern und Weihnachten zusammen. Aber um es vorweg zu nehmen: der Plan mit Wolfgang Pampel stellte sich für mich leider bald als geplatzte Seifenblase heraus, als mir ein Fachmann aus dem Hörbuch-Geschäft die grob zu erwartenden Kosten eines solchen Unterfangens aufzeigte. Kosten die weit über meinen Möglichkeiten liegen. Aber zurück zur Entstehung: Ich schilderte also mein Vorhaben im deutschen Indiana Jones Fan-Forum und die Idee wurde interessiert aufgenommen. Das war der Moment, in dem ich mir dachte: „Oh je, jetzt hast du dein Maul hoffentlich nicht zu weit aufgerissen.“

Doch wie es das Schicksal so wollte, lehnte sich mein Co-Moderator Jens, selbst Archäologe und Publizist, seinerseits unfreiwillig weit aus dem Fenster, als er mir einige Ideen für einen geeigneten MacGuffin aufzählte. Er konnte sicherlich nicht ahnen, wie sehr er von diesem Projekt versklavt eng er mit diesem Projekt verknüpft sein würde. Unter seinen Ideen für einen MacGuffin war u.a. die Totenmaske des Tezcatlipoca (zu sehen übrigens im Britischen Museum, Anm. Jens). Nachdem ich vorher fruchtlos versucht hatte, bei Alexander dem Großen oder den Spartanern einen passenden Mythos zu finden, dachte ich mir: „Hey, dass hört sich interessant an.“ Ich googlete etwas nach Tezcatlipoca und stieß immer wieder auf den „rauchenden Spiegel“. Ich dachte mir, die Maske des Tezcatlipoca ist gruselig und mystisch, aber in meinen Augen brauchte es etwas greifbareres, etwas noch haptischeres – etwas mit einer Funktion. Und so festigte sich die Idee vom rauchenden Spiegel als MacGuffin. Ich schilderte Jens meine Gedanken und er war sofort begeistert und bot mir an, Informationsmaterial zu dem Thema zusammen zu stellen. Und was für Material! Ich rechnete mit einer halbseitigen Zusammenfassung wer oder was Tezcatlipoca und/oder der rauchende Spiegel war – ich bekam jedoch über 20 Megabyte Informationen über Tezcatlipoca und die Azteken. An diesem Punkt wusste ich: „Jens ist mein Mann!“ und befahl ihm mein Hilfs-Sklave bei dem Projekt zu werden fragte ihn ob er Lust hätte mich bei dem Projekt als Ratgeber zu unterstützen. Er war Feuer und Flamme, der arme Narr.

Der Spiegel stand nun als MacGuffin fest, da erinnerten wir uns, dass es das Spiel „Baphomets Fluch II: Die Spiegel der Finsternis“ gab, in dem es auch um den rauchenden Spiegel ging. Jens hatte Bedenken, dass diese Tatsache bei den Lesern/Hörern möglicherweise einen Beigeschmack erzeugen könnte. Doch da ich persönlich die Handlung des Spiels selber überhaupt nicht mehr vor Augen hatte, entschloss ich mich dazu, es einfach zu ignorieren und „mein eigenes Ding durchzuziehen“. Bis heute hat mein Roman (abgesehen vom prinzipiellen MacGuffin) keinerlei Anlehnung an das Spiel. Falls doch, so ist das Zufall. Ich kenne die Geschichte des Spiels nicht mehr und habe es selbst zuletzt vor acht oder neun Jahren gespielt.
Chris
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, das letzte Mal am 27.11.2009, 12:17 von 5IC.