Komplettes Thema anzeigen 12.02.2019, 03:22
Indy2Go Abwesend
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Betreff: Re: Der letzte Film
Sly stand bei mir in den letzten Tagen auch auf dem Programm - allerdings seine andere große Reihe. Zur Vorbereitung auf Creed II.

Rocky ist für mich - in einem Wort - perfekt. Er ist fantastisch gespielt, großartig geschrieben und somit - auch dank der semiprofessionellen Beleuchtung, die ihm diesen gewissen Doku-Look verpasst - vor allem eines: Authentisch. Die Charaktere, die Story; man merkt einfach, dass der Film sehr eng mit der persönlichen Geschichte seines Autors und Hauptdarstellers verbunden - teils sogar beinahe autobiografisch - ist.

Rocky II ist inhaltlich eine in faktisch jeden Punkt logische Fortführung des Erstlings - und diesem auch tonal sehr ähnlich. Denn auch das Sequel ist sehr character driven, quasi mehr Drama als reiner Boxerfilm. Der finale Kampf ist dieses Mal vielleicht sogar noch (!) ein kleines Bisschen fesselnder. Und dennoch: Ao ganz reicht er einfach nicht an die Brillanz seines Vorgängers heran und auch ein paar wenige Szenen halte ich nicht für ganz gelungen. Müsste ich es in Punkten ausdrücken, wäre Rocky für mich eine klare 10, Rocky II aber immer noch eine starke 8.

Mit Rocky III begann die Reihe ein wenig in den Wahn der 80er abzudriften, was sich etwa auch im ikonischen Titelsong von Survivor wiederspiegelt. Im Vegleich zu seinen Vorgängern stellt der dritte Teil tonal einen starken Kontrast dar. Doch obwohl Antagonist Clubber Lang relativ einfach gestrickt ist, um möglichst schnell die Antipathien des Zuschauer zu gewinnen, ist Stallones Umweg eigentlich bewundernswert: Statt am zweiten Teil anzuknüpfen und dem Publikum ein weiteres Mal zu geben, was sich bereits zweimal bewährt hat, konfrontiert er seinen Protagonisten mit einem neuen Problem. Statt ihm die Chance auf einen Aufstieg zu geben, lässt er den inzwischen gefeierten Star abstürzen. Er konfrontiert ihn mit Selbstzweifeln. Und dabei arbeitet er einmal mehr sehr charakterorientiert, obgleich Rocky III für mich mehr Genrefilm ist, als seine beiden Vorgänger. Ich würde den Film sogar knapp über dem zweiten Teil ansiedeln, etwa bei 8,5 Punkten.

Spätestens Rocky IV steht völlig im Zeichen seiner Zeit, ist durchweg komplett over the top und vernachlässigt mit seiner Minimalstory sogar seine Charaktere. Der orchestralische Score, der im dritten Teil noch durch einen Pop- bzw. Rock-Song ergänzt wurde, muss dieses Mal fast gänzlich für zeitgenössische Popmucke weichen - das Verhältnis kippt. Ein Drittel des 90-Minüters sind reine Montagen und die Prämisse ist so (!) sehr vom Ost-West-Konflikt geprägt: Die Sowjets wollen mit ihrem eigens hergezüchteten Box-Ass, der ultimativen Waffe den Boxsport infiltrieren. Das alles sollte mir eigentlich negativ aufstoßen, tut es aber nicht. Im Gegenteil, ich finde es supergeil. Rocky IV ist für mich zwar ganz klar der bis dato schwächste Teil der Reihe, das tut dem Unterhaltungswert und der Wirkung aber keinen Abbruch. In Punkten: 7,5.

Nach dem sehr abgedrehten vierten Teil war es nur logisch, mit Rocky V wieder einen Schritt zurückzugehen. Stallone ging sogar noch zwei, drei Schritte mehr zurück. Der Film ist in beinahe jeder Hinsicht eine Rückbesinnung, er schafft eine Grundlage, die der des ersten Teils sehr ähnelt. Nur schlüpft Rocky dieses Mal in die Mentorenrolle seines alten Trainers Mick. Der Film gilt als Rohrkrepierer, Stallone selbst hasst ihn, gab ihm in einem Interview sogar einmal 0 Punkte. Ich finde das nicht ganz fair. Die aufgesetzte Handlungshinführung ist komplett daher geschludert, ja. Einige Szenen sind hölzern, die Kämpfe lassen zu jeder Zeit die alte Klasse vermissen und einzelne Figuren sind komplett deplaziert. Und dennoch: Der Film steckt voller guter Ansätze, von denen er einige auch zufriedenstellend zu Ende führen kann. Er hat seine Momente, er ist mutig und er schafft nicht zuletzt auch die Grundlage für Rocky Balboa. Somit ist er für mich selbstverständlich Pflichtbestandteil der Reihe: 5 Punkte.

Rocky Balboa ist eigentlich in jeder Hinsicht der perfekte (vorläufige) Abgesang auf die Figur. Seit dem fünften Teil ist genug Zeit vergangen, um aus ihm nicht einfach eine weitere Fortsetzung zu machen, sondern ein Comeback und zugleich ein Schlusslied. Daher suggeriert auch der Titel Eigenständigkeit. Der höchst emotionale Film lässt seinen Helden ein letztes Mal in den Ring steigen um sich zu beweisen, ehe er würdig verabschiedet wird.
Marc S.
Bismarck biss Marc, bis Marc Bismarck biss.