Komplettes Thema anzeigen 16.07.2017, 01:13
Aldridge Abwesend
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Betreff: Re: Der letzte Film
Legend of Tarzan - Das eigentlich Faszinierende an der Neuauflage von Edgar Rice Burroughs´ klassischem Dschungelbuch-Rip-off ist die Background-Geschichte. Harry Potter-Regisseur David Yates und seine Autoren haben sich die Ausbeutung des Kongo durch König Leopold von Belgien als Hintergrund für das neue Abenteuer des Lianen-Schwingers ausgesucht. So hat es den Bösewicht Leon Rom (Christoph Waltz) wirklich gegeben, der zunächst Joseph Conrad als Vorlage für Mr. Kurtz in Herz der Finsternis diente und dann in Apocalypse Now zum Colonel befördert wurde. Auch Tarzans Begleiter George Washington Williams (Samuel L. Jackson) ist eine reale Figur, ein amerikanischer Bürgerkriegs-Veteran, der damals die Zustände im Kongo angeprangert hatte. Insofern besaß Legend of Tarzan eine reizvolle Ausgangsbasis - gerade Young Indy-Fans sollten das Spiel mit Realität und Fiktion schätzen. Leider macht der Film nichts draus. Ok, die Bilder der 180 Mio. Dollar teuren Produktion sind sehr hübsch, die CGI-Tiere sogar ganz nett gelungen. Ausgerechnet Alexander Skarsgård als Titelheld bleibt aber über die gesamte Laufzeit distanziert und irgendwie leblos. Seine bekannte "Origin" wird komplett in Flashbacks gepackt, die zuverlässig und wiederholt den Erzählfluss ausbremsen. Ansonsten darf er wahlweise mit einigen Tieren kämpfen oder kuscheln, sinnträchtig in den Dschungel stieren, ein übertrainiertes Six-Pack präsentieren - und beim computerverstärkten Lianenschwingen frappierend an Spider-Man erinnern. Jane Porter (Margot Robbie) ist nicht etwa eine emanzipierte Neuinterpretation, sondern wird recht schnell zur Damsel in Distress mit dekorativem Äußerem, aber ohne gute Dialogzeilen verdammt. Und Waltz sowie Jackson spielen... nun ja, Waltz und Jackson. Hinzu gesellt sich der unschöne Eindruck, dass der Film an einigen Stellen doch arg zusammengeschnippelt wurde, wohl um familientauglicher zu sein und sein völlig übertriebenes Budget wieder einspielen zu können. Ein Beleg dafür dürfte auch die knappe Laufzeit sein, die den Versuchen des Streifens, so etwas wie ein Epos darzustellen, effektiv entgegenwirkt. Also ein Abenteuerfilm, der nette Bilder bietet, aber eben auch nicht viel mehr.

Um noch kurz die unweigerliche Rassismus-Debatte zu streifen: Ja, da turnt ein blonder und blaublütiger Übermensch durch den Dschungel und rettet den schwarzen und passiv-blöden Wilden sowohl Leben als auch Land. Tarzan ist halt so konzipiert - quasi ein früher Superheld aus kolonialen Zeiten. Wie man diesen Ansatz sinnvoll umdreht und damit gekonnt die Perspektive verschiebt, hat Hugh Hudsons Greystoke aus dem Jahre 1984 mit einem jungen Christopher Lambert gezeigt. Aber so etwas spielt halt nicht in der Blockbuster-Liga...
Dieser Beitrag wurde 3 mal editiert, das letzte Mal am 16.07.2017, 01:19 von Aldridge.