Komplettes Thema anzeigen 07.06.2017, 23:19
Aldridge Abwesend
Mitglied
Dabei seit: 13.08.2009
Wohnort: -


Betreff: Re: Der letzte Film
Lawrence von Arabien - "Der längste Film mit dem meisten Sand" schrieb die Kritik seinerzeit zum Kinostart recht süffisant über David Leans Wüstenepos. So ganz falsch ist das sicherlich nicht, denn rein quantitativ schwelgt Lawrence von Arabien in Superlativen. Wie da mit einem Maximum an Mensch und Material eine Araber-Impression nach der anderen aufs Breitbild gebannt wird, das ist schon beeindruckend. Leans Ausflug in die Wüste fasziniert selbst nach 55 Jahren noch immer und ist in ästhetischer Hinsicht stilbildend gewesen für eine ganze Reihe filmischer Nachfolger von Star Wars (man nehme die Bilder mit den Wüstenleuten auf Tatooine) über Dune (naheliegend der Vergleich mit den Fremen auf Arrakis - von den Ähnlichkeiten zwischen den Hauptfiguren mal abgesehen) bis Mad Max: Fury Road (siehe die Warboys und ihre Zitadelle). Lawrence von Arabien ist schlicht Kino zum Abtauchen und Erschlagenwerden, sofern man bereit ist, sich die 3 Stunden 40 Minuten vor Fernseher oder Leinwand zu hocken. Schwieriger wird es dann wieder bei der inhaltlichen Bewertung. Lean und sein bewährter Produzent Sam Spiegel hatten damals angeblich eine freie Adaption von Lawrence´ Memoiren "Die sieben Säulen der Weisheit" im Sinn gehabt. Was dabei aber auf der Strecke geblieben ist, ist der eigentliche Charakter der Titelfigur. Denn wer Thomas Edward Lawrence tatsächlich war und wie er getickt hat, das kann man trotz des eindrucksvollen Spiels von Peter O´Toole nur vermuten. Hatte der gute Lawrence jetzt wirklich eine Vorliebe für Land und Leute in der Wüste? Suchte er in seiner Egozentrik nur einen passenden Vorwand, um sich selbst Geltung und Einfluss zu verschaffen? War er wirklich so blutdürstig oder doch eher mitfühlend? Der Film exerziert zwar die klassische Abfolge von Aufstieg, Fall und (Beinahe-)Wahnsinn routiniert durch, doch kriegt er die verschiedenen Züge des historischen Lawrence irgendwie nicht zusammen. Erschwerend kommt hinzu, dass Vorgeschichte und späteres Wirken einfach ausgeblendet werden - und das bei der epischen Laufzeit. Egal. Als Kinoerlebnis einfach großartig.