Betreff: Re: Der letzte Film
Independence Day: Resurgence - Na, immerhin. Da hat sich der gute Emmerich zumindest ein paar Gedanken gemacht, wie er sein hohles Independence Day-Universum sinnvoll weiterentwickeln kann. Vielleicht ist das dem Alter geschuldet, schließlich war das Spielbergle damals gerade 40 und ist heute 60. Da ist wohl die Bereitschaft gesunken, dem Publikum anno 2016 den gleichen Quark von vor 20 Jahren vorzusetzen. Wobei das allerdings nur für das große Drumherum gilt: Seit dem ersten Angriff hat die Menschheit die Alien-Technologie dazu genutzt, die eigene Entwicklung zu beschleunigen. Und die Erde ist angesichts der intergalaktischen Bedrohung auch zu einer Einheit zusammengewachsen. Im Grunde eine nette Utopie und als solches auch ein schöner Gegenentwurf zur tatsächlichen Entwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte. Wenn, ja, wenn die gesamte Bevölkerung nicht irgendwie seltsam militarisiert wirken würde. Da greift dann vielleicht Paul Verhoevens alte Theorie, dass der Krieg aus jedem einen Faschisten macht. Und das ist wohl auch der Grund, warum ID-R ein gutes Stück weit auch nach Verhoevens Starship Troopers aussieht.
So weit ist Independence Day: Resurgence eigentlich ein richtig guter Science-Fiction-Film. Allerdings - und das ist nun mal für einen Film entscheidend - hapert es mal wieder auf der erzählerischen Seite. Während sich der erste Independence Day noch zu viel Zeit genommen hatte, um seine Figuren einzuführen, hastet der Nachfolger durch die Exposition und verpasst die wichtige Gelegenheit, die Charaktere mit Leben zu füllen. Letztlich bleiben sie, und das ist beim Filmsohn von Will Smith besonders spürbar, laufende Kleider- und Waffenständer ohne den kleinsten emotionalen Unterbau. Das gab es auch schon im ersten Teil, etwa als Harry Connick jr., Mary McDonnell oder Harvey Fierstein den Löffel abgeben durften. Hier trifft es nun - Spoiler! - Vivica A. Fox und Bill Pullman (muss das Han Solo-Syndrom sein), und irgendwie juckt das keinen der Filmangehörigen so richtig. Sowieso hakt Emmerich eine Etappe seiner Alien-Invasion nach der anderen ab, ohne sich wirklich Zeit für das Spektakel zu nehmen. Die Zerstörungsorgien sind unübersichtlich gefilmt, die One-Liner kommen lustlos aus der Hüfte geschossen, Cliffhanger stammen aus der Klischee-Mottenkiste, Spannung geht dem Treiben völlig ab. Das alles zeichnete auch den alten Film aus, doch lieferte der zumindest denkwürdige Bilder - und das mit kleineren Ufos.
Dennoch: So wie der erste Independence Day heute noch eine gewisse Faszination als Popcorn-Wundertüte ausstrahlt, so macht auch der neue Film durchaus Spaß, indem er einfach aus dem Vollen schöpft. Auf der Haben-Seite ist dann noch zu vermerken, dass es deutlich weniger Patriotismus-Getriefe gibt als im Vorgänger. Und Brent Spiner finde ich mit seiner homosexuellen Over-the-Top-Figur sogar richtig sympathisch. Beobachtung am Rande: Das Interessanteste an Emmerichs Weltenzerstörungen ist immer das, was man nicht sieht: Bei 2012 wäre es spannend zu sehen gewesen, wie die kläglichen Überreste der Menschheit ihre Zivilisation wieder aufbauen. Und bei ID-R wäre es nett gewesen zu sehen, was in den 20 Jahren davor geschehen ist. Egal, Emmerich hat es immerhin geschafft, dass ich nun auch gerne einen möglichen dritten Teil sehen würde (der angesichts des schlechten Box Office allerdings eine Überraschung wäre).
Lange Rede, kurzer Sinn: bunter, lauter, genauso doof, aber als Sci-Fi nicht ohne Reiz.
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mal editiert, das letzte Mal am 04.12.2016, 13:32 von Aldridge.