Betreff: Re: Der letzte Film
Creed – Die Frage drängt sich zwangsläufig auf: Kann man Rocky nicht in Frieden ruhen lassen? Schließlich fand die Reihe mit dem sechsten Teil einen würdigen Abschluss und entließ Rocky Balboa nach einem letzten Triumph würdig in den Ruhestand. Insofern hätte Creed sehr viel falsch machen und in Leichenschändung enden können. Was zum Glück nicht geschieht: Jungregisseur und Autor Ryan Coogler (Fruitvale Station) geht die Aufgabe, ein Spin-off rund um Apollo Creeds unehelichen Sohn Adonis und Rocky als altväterlichen Mentor zu schaffen, mit dem gebotenen Fingerspitzengefühl an. Dabei kopiert er im Grunde die Geschichte des Ur-Rocky, denn genauso wie Stallone 1976 als kleiner Boxer ohne Perspektive im dreckigen Gym beginnt, zunächst von seinem Trainer verstoßen wird und dann die große Chance als Underdog bekommt, so ergeht es auch Creed jr. Stilistisch knüpft Coogler beinahe nahtlos an den Vorgänger-Film an und liefert Impressionen aus den Hinterhöfen Philadelphias sowie nostalgische Verweise auf die Filmreihe in homöopathischen Dosen. Nebenschauplätze wie Rockys Krankheit oder die unvermeidliche Love Story sind zwar Griffe in die Klischeekiste, entpuppen sich aber als emotional wichtige Bausteine des Ganzen. Bleiben noch die Kämpfe. Und auch, wenn es nahe liegt, dass inszenatorisch im Box-Genre schon alles gezeigt wurde, so gewinnt die Inszenierung den Kämpfen zum Beispiel als Plansequenz doch neue Reize ab. Bemerkenswert übrigens auch das Casting: Neben Sylvester Stallone mit wirklich makelloser Leistung überzeugen Michael B. Jordan, der Carl Weathers physisch und mimisch erstaunlich nahe kommt, sowie Tessa Thompson als spröde Schönheit. Kurzum: Gelungene Fortführung der Reihe, die tatsächlich Lust auf mehr macht.
Auch hier handelte sich sich übrigens um eine Zweitsichtung innerhalb kurzer Zeit. Und der Film wirkte – wie bereits Rocky Balboa – in der zweiten Runde kein Stück schwächer als beim ersten Mal, eher im Gegenteil.