Komplettes Thema anzeigen 18.06.2016, 19:58
Aldridge Abwesend
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Betreff: Re: Der letzte Film
The Hateful Eight – Der Schneewestern von Quentin Tarantino war zum Kinostart recht differenziert aufgenommen worden. Das ist auch nachvollziehbar, denn die acht Hasserfüllten und Hassenswerten unterlaufen locker die Erwartungen, die man an solch einen Film stellen könnte. Suggeriert der Filmtitel einen Vergleich mit den Glorreichen Sieben, lässt der vollmundig angekündigte Gebrauch des 70-Millimeter-Filmformats ein klassisches Breitwand-Epos erhoffen und legt die Verpflichtung von Filmkomponist Ennio Morricone eine Nähe zum Spaghetti-Western nahe, kredenzt Tarantino seinem Publikum doch nichts davon. Stattdessen bietet er ein Kammerspiel mit einer Figuren-Anordnung in bester Whodunit-Manier. Dabei kreisen die Dialoge zuweilen zwar gewohnt selbstverliebt um sich selbst, doch dient die Geschwätzigkeit dieses Mal vor allem dazu, die Geheimnisse der einzelnen Charaktere ans Tageslicht zu bringen und den vorliegenden „Kriminalfall“ zu lösen – was für Tarantino-Fans relativ ungewohnt gewesen sein dürfte. Das abgefilmte Theaterstück entwickelt dann solch einen Sog und lässt munter miträtseln, dass die drei Stunden Laufzeit (zumindest für mich) wie im Fluge vergingen. Die Schauspieler schlagen sich allesamt beachtlich, wobei insbesondere Walton Goggins als Redneck und Jennifer Jason Leigh als Miststück überraschen. Lediglich Michael Madsen in seinem Cowboy-Kinderkostüm blieb für mich enttäuschend blass. Bleibt noch die Frage, ob die Handlung gegen Ende unbedingt in Blut ersaufen musste. Allerdings verleiht die comichaft überzeichnete Gewalt dem Finale auch mehr Durchschlagskraft.

Lange Rede, kurzer Sinn: ungewöhnliches Kriminalstück im Western-Setting mit guten Schauspielern. Übrigens mit (gleich mehreren) gewollten Parallelen zu John Carpenters The Thing.
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, das letzte Mal am 18.06.2016, 19:59 von Aldridge.