Betreff: Re: Der letzte Film
Aber Olli, wie kannst du denn nur so frei und offen positiv zu Spielberg schreiben. Weißt du denn noch nicht, dass es aktuell so schick ist, den Herrn zu kritisieren? Und zwar zu recht: Wissen wir doch alle,
Zitat:dass immer, wenn der Meister Botschaftskino im Historiengewand anfasst, wird es wohl hier und da auch (für Nicht-Amerikaner) unerträglich botschafteln und alles brav in Spielbergs amerikanische Apfelkuchenform gepresst sein: der Mensch sei edel, hilfreich, aufrecht und Tom Hanks und Gott bewahre dass da irgendwelche allzu quere Zwischentöne stören. Gerade das jüngste Spielberg-Kino der letzten 5 Jahre ist doch total unsympathisch: weihevolles Langweiler-Kino mit moralisch ganz klaren Standpunkten. Sonntag-Abend-Unterhaltung fürs spießige Bildungsbürgertum. Is halt bisserl schoad, wenn gestandene Recken wie Spielberg hervorragendes Handwerk abliefern, aber letztlich (inhaltlich) altbackene Filme dabei herauskommen. Es gibt bei Spielberg diesen furchtbaren Oscarkino-Gendefekt, manifestiert durch breitenwirksamste Kompromisshudelei, wo wieder tausend Worte tränenreich sagen müssen, was ein "cooler" Regisseur mit einem kurzen Blick geklärt hätte. Diese Art von dreifach abgesichertem, in sattsamsten erzählerischen Fahrwassern und Ideologien schwimmenden Spätwerken sind eben keine seit Jahrzehnten etablierte Marke dieser Regisseure, ganz im Gegenteil, so was machen auf Nachfrage auch ein Robert Redford (QUIZ SHOW) oder Frank Darabont (GREEN MILE) oder oder oder. Niemand verlangt, dass Spielberg das Rad neu erfinden muss, aber ich finde ein bisschen mehr Mut gehört schon dazu, wenn man so eine diffizile Kalte-Kriegs-Geschichte wie zum Beispiel Bridge of Spies aufrollt. Dass hier wieder Tom Hanks, weinende amerikanische Ehefrauen und die Leitsätze der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung eine zentrale Rolle spielen, ist eben auch ein Hinweis darauf, dass sich (wieder einmal) eine betuliche Langeweile in seinen Geschichten eingeschlichen hat, die quasi herausfordert, dass der geneigte Zuschauer, zumal Europäer, zum dezenten Gähnen anstimmt. Spielberg hat bis Mitte der 2000er punktuell durchaus für ihn kühne Wege beschritten, ohne seine "Arbeitsweise" umzustellen. Es geht mir hier auch nicht um irgendwelche Spielberg-Filme - WAR HORSE z.B. nehme ich erst gar nicht ernst in dem Zusammenhang - sondern konkret um diesen. Wir alle, behaupte ich mal, sind froh, wenn ein Film frischen Wind ins Theater bringt, dem Zeitgeist voraus ist, erzählerisch neue Wege beschreitet, und so weiter, etc. Und ich finde es nicht zu viel verlangt, dass eben auch dieser versucht, was ein Martin Ritt in den 60ern zustande gebracht hat, nämlich eine (rein) politische Geschichte schnörkellos und spannend aufzurollen, und nicht wieder durch die Hintertür irgendwelchen Schmonzes und Allerweltsliberalitäten á la Hollywood einzuschmuggeln, die hier meiner Meinung nach rein gar nichts zu suchen haben (und wieder einmal von der eigentlichen Geschichte massiv abweichen). Und das eigentlich Schlimme: Sie alle - George Lucas inbegriffen - konnten es ja mal.
(Kleiner Insider mit Olli, nicht böse sein
)
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mal editiert, das letzte Mal am 26.10.2015, 01:18 von Aldridge.