Betreff: Re: Der letzte FilmBirdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) - Michael Keaton begibt sich ins Spannungsfeld der selbstreferenziellen (Medien-)Satire. Und liefert damit sein Meisterstück ab. Keaton war als komödiantischer wie als dramatischer Darsteller schon immer klasse. Hier nimmt er allerdings seine eigene Rolle als Ex-Batman und sein Dasein als alternder Schauspieler aufs Korn und spielt den teils nachdenklichen, zunehmend in den Wahnsinn abdriftenden Protagonisten wirklich so intensiv, dass das Zuschauen eine wahre Freude ist. Zugleich leitet er damit einen Cast an, der ebenfalls sein Bestes gibt, allen voran Edward Norton und Emma Stone, die kleine schauspielerische Schmankerl abliefern. Was das Gebotene dann abrundet, ist die Inszenierung: Regisseur Alejandro González Iñárritu (Babel, Biutiful) legt seinen Birdman als (beinahe) einzige große Plansequenz an und schafft es damit, den Zuschauer direkt ins Geschehen zu ziehen und die Handlung wie einen sich zuspitzenden Fiebertraum wirken zu lassen. Also alles tutti? Nicht ganz, denn ein mittelgroßes Aber bleibt: Birdman ist letztlich eine kleine Reflexion über den Beruf des Schauspielers, die Vergänglichkeit von Ruhm, das Streben nach Anerkennung und auch nach Liebe. Iñárritu überhöht die Story nur intellektuell zu sehr, etwa durch die Parallele zu Raymond Carvers What we talk about, when we talk about Love oder die Schizophrenie der Hauptfigur. Das Gezeigte wirkt dadurch unnötig verkopft und bleibt emotional distanziert. Liegt vielleicht auch in der Natur der Sache, denn irgendwie hat mich die ganze Stimmung des Films stark an Barton Fink von den Coens erinnert, und da driftet die Hauptfigur auch langsam ins Irre ab. Aber sei´s drum: Letztlich ist Birdman wirklich ein filmischer Leckerbissen.
Zitat von Indy2Go:
Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)
Heiliges Kanonenrohr, das nenne ich mal einen Film. Schon die Titles waren eine Innovation; zur Schlagzeug-Musik wurden die Buchstaben dem Alphabet nach eingeblendet. Noch genialer jedoch ist die Machart. Im gesamten Film wurde gefühlt zwei Mal geschnitten. Unglaublich wie es dem Kameramann gelungen ist, das einzufangen, unglaublicher, wie es Keaton und Co gelang, ohne Unterbrechungen so zu spielen. Der Oscar für die beste Kamera MUSS kommen. Auch der Schlagzeug-Score war mal sehr erfrischend. Ein wahnsinns Film. 10/10.
Da muss ich dir leider die Illusion rauben: Der Film sieht zwar so aus, als gäbe es keine Schnitte (bis auf die ein, zwei am Ende). Tatsächlich gab es aber zahlreiche "unsichtbare Schnitte" und zudem auch mehrere digitale Überblendungen.
Wie interpretierst du denn das Ende? Im Endeffekt finde ich zwei Möglichkeiten plausibel:
Spoiler:
1. Nach dem "Kopfschuss" auf der Bühne liegt Thomson im Sterben und fantasiert sich alles zusammen. Dafür spräche auch, dass er angeblich nur seine Nase getroffen haben soll und dass das "Happy End" mit Frau, Agent und Tochter schon zu positiv ist, um wahr zu sein.
2. Thomson liegt schon zu Beginn im Sterben (Anfang mit Quallen und Komet) und fantasiert sich alles so zusammen, wie er es gerne gehabt hätte. Immerhin strebt er ja während der gesamten Handlung nach der Anerkennung, die ihm als Schauspieler und auch als Mensch immer verwehrt geblieben war.
Dass Thomson wirklich übernatürliche Kräfte hat, glaube ich nicht. Immerhin sah man am Ende seiner "Flugsequenz", dass er eigentlich per Taxi zum Theater zurückgekommen ist.
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mal editiert, das letzte Mal am 11.10.2015, 02:10 von Aldridge.