Betreff: Re: Der letzte Film
Maleficent - Neuinterpretation des Dornröschen-Märchens von Disney. Der Film bezieht seinen Reiz daraus, dass er die Perspektive vom Dornröschen (hier: Aurora) hin zur dunklen Fee Malefiz (hier: Maleficent) verschiebt. Und das macht er auch gar nicht schlecht: Wie Maleficent zunächst verraten wird, ihre dunkle Seite entdeckt und sich schließlich doch ihrer Zuneigung zu dem jungen Mädchen nicht entziehen kann, ist schon ganz hübsch erzählt. Der Film ist immer dann am stärksten, wenn er nicht auf Schauwerte, sondern ganz auf die Beziehungen der Figuren untereinander setzt. Insofern ist auch nicht ganz verständlich, warum man das Märchen gleich zu Anfang mit einem kunterbunten Fantasy-Szenario überfrachtet, das noch dazu keinerlei Eigenständigkeit besitzt: Das Moor, also die Heimat von Maleficent, sieht aus wie Pandora aus Avatar, sie selbst fliegt durch die Landschaft wie Hicks und Ohnezahn in den Drachenzähmen-Filmen, und wenn es dann zur Schlacht zwischen Rittern und Moorbewohnern geht, erinnert das alles extrem an den Herrn der Ringe. Regisseur Robert Stromberg gibt hier sein Regie-Debüt und kann nicht verbergen, dass er zuvor als Szenenbildner bei - eben! - Avatar, Alice im Wunderland oder Sam Raimis Oz an Bord gewesen ist. Zudem hatte ich persönlich herbe Probleme, überhaupt erst in die Geschichte abzutauchen. Denn Angelina Jolie kann so gut spielen wie sie will - ihr Star-Status steht mir inzwischen so sehr im Wege, dass ich zunächst immer erst mal Angelina Jolie sehe und nicht den eigentlichen Charakter, den sie darstellt. Letztlich durchaus reizvolle Neuerzählung mit schönen Charakter-Brüchen, die aber streckenweise von der Bonbon-bunten 3D-Kinder-Zielgruppen-Zuckerschicht erstickt wird.
Cinderella - Das nächste Realfilm-Revival eines Disney-Klassikers. Dieses Mal ist Shakespeare-Mime Kenneth Branagh als Regisseur am Zuge. Und der setzt dann auch ganz auf altmodische Eleganz. Soll heißen: Branagh inszeniert die Geschichte vom Aschenputtel geradezu erfrischend bodenständig und versetzt die Geschichte in ein zeitloses Szenario, das vielleicht irgendwann im 19. Jahrhundert verortet werden könnte. Erst wenn die Romanze so richtig greift und Cinderella (eigentlich: Ella) den Ball besucht, um den Prinzen zu sehen, entfesselt Branagh die Kamera und lässt sie durch pompöse Kulissen mit verschwenderischen Kostümen schweben. Dazu hat Branaghs Stamm-Komponist Patrick Doyle dann noch einen Score mit reichlich Liebesthemen, Action-Momenten und mehr als einer Handvoll Walzern und Polkas geschrieben. Insofern erinnert Cinderella in den besten Momenten erstaunlich stark an Branaghs Verfilmung von Viel Lärm um Nichts von 1993. Erfreulich auch die Besetzung mit der noch relativ unbekannten Lily James (aus Downton Abbey) als Cinderella, Cate Blanchett (im Marlene Dietrich-Style) als böse Schwiegermutter und Derek Jacobi in einer bemerkenswert gefühlvollen Königs-Rolle. Dennoch - oder gerade deshalb: Der Film ist letztlich doch mehr Schein als Sein und bleibt stets an der Oberfläche. Die Off-Erzählerin führt die Zuschauer beinahe episodenhaft durch Aschenputtels Leben. Und die Charaktere sind einfach nur gut oder eben böse ohne Selbstreflektion und Tiefe. Böse Zungen würden deshalb behaupten: Das ist der Film zum Ballkleid. Ein oder zwei Twists hätte die Geschichte durchaus vertragen können. Trotzdem schöne Märchenverfilmung mit der richtigen Dosis Zuckerguss.

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mal editiert, das letzte Mal am 06.04.2015, 13:29 von Aldridge.