Betreff: Re: Ender's Game - Trailer
Endlich gesehen. Und...
Ich weiß: Roman und Film sind zwei unterschiedliche Medien. Das bedeutet, dass eine Verfilmung für sich selbst stehen und sich nicht zwingend an seiner literarischen Vorlage messen lassen muss. In diesem Fall fiel es mir beim Schauen allerdings schwer, die ursprüngliche Geschichte so einfach aus dem Hinterkopf zu verbannen. Das liegt insbesondere an den zwei großen Themen, die Orson Scott Card in seinem Roman behandelt. Das wäre einerseits das Thema Taktik: Ender wird als taktisches Genie charakterisiert. Und das beschränkt sich nicht nur auf die ausführlichen Beschreibungen seiner Handlungen im Kampfraum, sondern bezieht ebenso sein Verhalten innerhalb der verschiedenen Kampfgruppen mit ein, denen er zugewiesen wird und in denen er nach und nach aufsteigt. Andererseits widmet sich der Roman dem Thema Ethik: Folgen Enders Taten einem höheren Ziel? Oder machen sie ihn zu einem Massenmörder - und noch dazu zu einem im Grunde unschuldigen Massenmörder?
Im Film selbst findet sich davon: nichts. Oder zumindest so gut wie nichts. Das Drehbuch von Gavin Hood (X-Men Origins: Wolverine), der auch gleichzeitig Regie geführt hat, folgt zwar insbesondere zu Beginn sehr eng dem Roman. Doch leidet das Script unter dem absehbaren Dilemma, dass es die Handlung des Romans sehr stark verdichten muss, um sie in 114 Minuten Film zu quetschen. Soll heißen: Sobald Ender auf der Kampfschule ankommt, arbeitet er sich sehr zügig in der Hierarchie hoch - ohne dass groß nachvollziehbar ist, welche Taktiken er im Training und im Umgang mit seinen Kameraden anwendet. Nur stellenweise gibt es einige Fragmente, die dem Zuschauer vermitteln sollen, wie geschickt Ender anscheinend vorgeht. Und natürlich kommen dabei auch die Charaktere seiner Mitschüler viel zu kurz, während sie im Buch wichtige Rollen übernehmen. Die Kommandoschule und das Zusammenspiel mit seinem Mentor Mazer Rackham wirkt da sogar wie ein eilig angehängter Appendix. Genau genommen wird die Figur Rackhams in dieser Form sogar überflüssig. Und die ethische Frage beschränkt sich letztlich auf ein - erfreulich rüde gespieltes - Streitgespräch zwischen Ender und Colonel Graff nach der "Abschlussprüfung".
Das liest sich aber nun vielleicht negativer, als es gemeint ist. Denn selbst in dieser "verstümmelten" Form ist die verfilmte Geschichte noch unheimlich stark - und hat gerade wegen der Kürzungen auch ein hohes Tempo. In der Masse der SciFi-Filme des vergangenen Jahres dürfte Ender´s Game damit insgesamt zu den stärkeren und intelligenteren Vertretern zählen. Darüber hinaus gibt es handwerklich nichts zu meckern: Ausstattung und Effekte wirken überaus ansprechend (zumal das Effektstudio Digital Domain den Film kofinanziert hat) und die jungen wie alten Schauspieler bringen ihre Rollen ausnahmslos überzeugend rüber. Einmal mehr fand ich dabei Fords Darbietung makellos. Doch letztlich muss ich festhalten: Hätten die Macher etwas mehr Mut gehabt und der Verfilmung des überaus berühmten Romans wenigsten zweieinhalb Stunden Laufzeit spendiert, besser drei, dann hätte ein richtiges kleines Meisterwerk dabei herauskommen können.