Komplettes Thema anzeigen 15.05.2006, 18:50
Jens Abwesend
Administrator
Dabei seit: 04.11.2002
Wohnort: Berlin


Betreff: Re: Da Vinci Code - Sakrileg
Ich fürchte, da muss ich Dir erneut widersprechen. Um bei Deinem Beispiel zu bleiben: Wenn Deine Brieftasche verschwunden ist und Du behauptest, es wurde gestohlen, würdest Du doch nicht behaupten können, es wurde gestohlen, wenn Du keinerlei Beweis für diese Behauptung hast! Wie Du nämlich auch schon geschrieben hast, könntest Du es ja "einfach" verloren haben. Verstehst Du worauf ich hinaus will? Behauptungen aufzustellen, ohne Belege dafür anzubieten, ist müßig. Genausogut könnte ich sagen, der Erdmittelpunkt bestünde aus Götterspeise. Ist 'ne gute Behauptung, die ich zwar nicht beweisen, die aber niemand widerlegen kann! Dennoch ist sie höchst unwahrscheinlich, dass sagt uns einfach der "gesunde Menschenverstand".

Um jetzt nicht völlig in dialektische Betrachtungen abzudriften (obwohl ich sicher bin, dass Balou das schätzen würde Zwinkernder Smiley ), versuche ich jetzt noch mal den Bezug zum Thema herzustellen. Dan Brown behauptet Jesus und Maria Magdalena hätten Nachkommen gezeugt. Kein Problem; ehrlich gesagt verstehe ich die Leute nicht, die sich die Mühe machen, den guten Mann jetzt widerlegen zu wollen. Kein Mensch schreibt Pseudo-Sekundärliteratur zum "Froschkönig", weil wir einfach wissen, dass es nicht nur nicht sehr wahrscheinlich ist, sondern ein Märchen. Dan Brown ist kein Historiker und er hat nie den Anspruch erhoben ein Fach- oder Sachbuch geschrieben zu haben, daher kann man den in "Sakrileg" aufbereiteten Sachverhalten auch sehr entspannt gegenübertreten.
Ärgerlich wird es nur, wenn die 1001 Epigonen Browns, die ihre Arbeit als Sachbücher auf den Markt werfen, behaupten, es wäre ein Fakt oder sehr wahrscheinlich das Jesus nicht am Kreuz starb und / oder Nachkommen zeugte. Versteh' mich nicht falsch. Auch ich finde diese Theorien interesssant und wäre der erste, der Beweise dafür begrüßen würde. Aber die kann es - wie Du richtig bemerkst - wenn überhaupt, dann nur sehr vage geben. Bisher können wir allenfalls auf Indizien zurückblicken. Und wenn besagte "Sachbuchautoren" auch zum 104. Mal die Thesen aus "Der Heilige Gral und seine Erben" abtippen - werden diese daurch nicht glaubhafter. Das ist der eigentliche Vorwurf, den ich anbringen wollte: Niemand scheint sich die Mühe zu machen, die in diesem 20 Jahre alten Buch aufgestellten Behauptungen anhand der (zugänglichen!) Originalquellen zu überprüfen. Brown muss das auch nicht, denn er hat ja eine fiktive Geschichte zu Unterhaltungszwecken geschrieben; aber der Rattenschwanz an Autoren von Sekundärliteratur im Gefolge des "Da Vinci Code", der muss sich damit konfrontieren lassen.

Noch ein Wort zur Begriffsverwirrung zwischen Theorie und Tatsache. Auch eine Theorie muss man beweisen oder - mit anderen Worten "wahrscheinlich" machen. Anderenfalls handelt es sich um eine bloße Behauptung.