Betreff: Re: Der letzte Film
Need for Speed - Autorenn-Epos nach der bekannten Videospielreihe von Electronic Arts. Dem Film waren im Internet extrem viel Spott und Häme entgegengeschlagen, seit die ersten Fotos vom Dreh veröffentlicht wurden. Und ehrlich gesagt, darf man storymäßig auch nicht zu genau hinschauen. Da gibt´s den Helden, der den Tod seines besten Freundes ausgerechnet in einem Autorennen rächen will. Da gibt´s auf dem Weg zum Rennen reichlich Kollateralschäden, die nur zu gerne hingenommen werden. Da gibt´s einen Milliardär, der ein illegales Rennen organisiert, dies aber offen im Internet ausplaudert. Da bekommt ein Ex-Knacki mal eben einen 3 Millionen Dollar teuren Ford Mustang gesponsert. Und da gibt´s auch noch reichlich hirnrissige Aktionen wie das Auftankmanöver während der Fahrt. Und trotzdem: draufgeschissen. Der Film hat den Arsch in der Hose und das Herz am rechten Fleck. Die Rennen sind von Regisseur Scott Waugh (Act of Valor) toll gefilmt und präsentieren - im Gegensatz zu den ersten Fast & Furious-Streifen - echte Super Cars (mein Favorit: das Koenigsegg-Rennen, hätte gerne noch länger dauern dürfen). Die Story hat das nötige Etwas, die Sprüche sitzen, die Charaktere sind trotz einiger Übertreibungen sympathisch. Überhaupt: Die Besetzung mit Aaron Paul (der bei mir keinen Breaking Bad-Bonus genießt) und Imogen Poots ist schon mutig und angenehm gegen den Strich, weil da eben kein Hochglanz-Pärchen aus dem Model-Katalog auftritt. Und dann wäre da noch der Score von Nathan Furst, der wirklich auf den Punkt und angenehm altmodisch ausfällt. Kleiner Pluspunkt dann noch für Dominic Coopers Jacke im Finale. Könnte ich auch mal wieder anziehen...
https://www.youtube.com/watch?v=e73J71RZRn8
A long Way down - Nick Hornby-Verfilmung um vier grundverschiedene Lebensmüde, die sich in der Silvesternacht ausgerechnet vom gleichen Londoner Hochhaus stürzen wollen. Derart aus dem Rhythmus gebracht, beschließt die Gruppe, nicht vor Valentinstag den nächsten Versuch zu unternehmen und zuvor mit ihrem Leben klarzukommen. Zunächst mal vorausgeschickt: Buch und damit auch der Film wurden dafür kritisiert, dass sie die Themen Depression und Suizid nicht ernst und differenziert genug behandelten, sondern eher Kapital aus der obskuren Ausgangssituation schlügen. Ich selbst kann es nicht einschätzen, da ich mit damit keine Erfahrung habe. Aber von der Diskussion losgelöst, bleibt eine wunderschöne Tragikomödie mit reichlich britischem Humor, menschelnden Episoden und ausreichend Raum zur inneren Einkehr. Großer Pluspunkt des Films ist die Besetzung mit Pierce Brosnan (der sich in seiner Darstellung am britischen Moderator Richard Madeley orientiert), "Allzweckwaffe" Toni Collette (nach About a Boy ihre zweite Hornby-Arbeit) und - Überraschung! - Aaron Paul und Imogen Poots (siehe Need for Speed) sowie in Nebenrollen Sam Neill und Rosamund Pike. Die Schauspieler harmonieren wirklich sehr gut miteinander und liefern jeweils überzeugende Vorstellungen ab. Regisseur Pascal Chaumeil (Der Auftragslover) erzählt das alles dennoch recht straff und in der Episodenstruktur des Romans, in der jede der Hauptfiguren zu Wort kommt. So gibt´s trotz des ernsten Themas kurzweilige, amüsante und nicht zu gefühlsduselige 100 Minuten Unterhaltung.
https://www.youtube.com/watch?v=4EMlIBlEyGo
The Maze Runner - Young Adult-Verfilmung, die nächste. Hollywood hat geschaut, was noch so an Romanvorlagen im Regal schlummert, und sich die Bücher von James Dashner rund um "Die Auserwählten" vorgenommen. Und siehe da: Regie-Debütant und Special Effects-Experte Wes Ball zaubert eine erfreulich ernste und düstere Herr der Fliegen-Variante auf die Leinwand. Die tiefere Charakterisierung der Figuren bleibt zwar weitgehend auf der Strecke, dafür bezieht der Film aber besonderen Reiz aus der Situation der Gruppe, die auf einer Lichtung inmitten eines Labyrinths voller Monster gefangen zu sein scheint. Dem Film wurde vorgeworfen, dass er im Grunde nur Fragen aufwirft und keine beantwortet. Das ist auch richtig, zumal es sich - im Young Adult-Gewerbe scheint es kein Autor unter einer Trilogie zu machen - um den Auftakt einer größeren Geschichte über drei Filme (oder bei Erfolg vier Filme?) handelt. Doch die schrittweise Erforschung des Labyrinths hält dann ausreichend Spannungsmomente parat, um gut zu unterhalten. Die jungen Darsteller liefern eine solide Leistung, wobei insbesondere die Besetzung des pummeligen Blake Cooper als jüngstem Mitglied der Truppe positiv auffällt. Zwangsläufig kommt es auch hier zu Unlogeleien: etwa wenn es um die Entschlüsselung des Codes für den Ausgang geht. Oder - Achtung, Spoiler - die Tatsache, dass das Labyrinth inmitten einer Wüste liegt, auf der Lichtung aber ein gemäßigtes Klima herrscht und es gerne auch mal regnet. Aber egal: Im Young Adult-Reigen ist Maze Runner deutlich besser als der Divergent-Beitrag und eine wohltuende Abwechslung vom Hunger Games-Hype.
https://www.youtube.com/watch?v=AwwbhhjQ9Xk
Die Insel - Neusichtung zum 10. Jubiläum. Und wie schon The Rock verliert auch dieser Michael Bay-Kracher mit zeitlichem Abstand deutlich. Das Hauptproblem des Streifens ist wohl, dass es die Macher nicht gewagt haben, einfach eine Gen-Dystopie (Quasi-Roman-Vorlage: Geklont von Michael Marshall Smith) zu entwerfen, sondern das alles dann doch mit einer unangemessen großen Dosis Action anzureichern. Und so ist der Film in zwei grundverschiedene Teile gespalten: In der starken ersten Hälfte bedient sich Bay zwar genüsslich bei modernen Dystopien von Dicks Penultimate Truth über Lucas´ THX 1138 bis zu Andersons Logan´s Run, entwirft dabei jedoch ein schön technisiertes Szenario mit einigen packenden Härten. In der zweiten Hälfte wird diese Prämisse dann aber leider über den Haufen geworfen und in einem Action-Overkill erstickt, der zudem mit einigen unschönen Übertreibungen aufwartet (Stichwort: Hochhaus-Absturz). Und dann zeigt der Handlanger des Bösen auch noch einen völlig unlogischen Sinneswandel. Die starke Schauspieler-Riege - von Ewan McGregor über Sean Bean und Steve Buscemi bis zu Michael Clarke Duncan - ist indes durchweg sehr solide unterwegs. Und auch wenn Scarlett Johansson nicht viel mehr zu tun hatte, als nett auszusehen, so bringt ihre Rolle als Klon und gleichzeitig als "reale" Werbeschönheit eine nette Meta-Ebene in den Film. Hätte das Zeug zu einem richtig starken Genre-Beitrag gehabt, wenn man den grundlegenden Story-Twist nicht schon nach knapp 40 Minuten gebracht hätte. So bleibt ein "guter Bay-Film" - was auch immer das heiße mag.
https://www.youtube.com/watch?v=uzR0mxTgoLo
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mal editiert, das letzte Mal am 03.05.2015, 12:16 von Aldridge.